Ich hab ehrlich gesagt eine ziemlich große Klappe und kann nicht still sein, wenn ich finde, dass jemand ungerecht behandelt wird. Das war schon früher in der Schülervertretung so und ist sicher mit ein Grund, warum ich heute im Betriebsrat bin. Ich finde es wichtig, Kolleginnen und Kollegen zu unterstützen, die gegenüber ihren Vorgesetzten selbst nicht die richtigen Worte finden oder sich nicht trauen, in den Konflikt zu gehen. Ein Stück weit Idealismus ist sicher auch mit dabei, der Glaube, dass man wirklich was verbessern kann.
Als ich das erste Mal in den Betriebsrat gewählt wurde war das eigentlich eher ein lustiger Zufall, der so gar nicht geplant war. Ich war damals in der Jugend- und Auszubildendenvertretung und eigentlich nur auf der Liste, damit sich die Jugendlichen und Auszubildenden dort wiederfinden und zu einem der Namen ein Gesicht hatten. Nach der Wahl stand ich aber plötzlich auf Platz elf und war eine von 33 Mitgliedern im Betriebsrat – das ist jetzt 21 Jahre her.
Da kommt mir als erstes unsere Vereinbarung „Mobiles Arbeiten“ in den Sinn, die wir kurz vor der Corona-Pandemie abgeschlossen haben. Aus meiner Sicht macht niemand automatisch seine Arbeit besser, nur weil er im Büro ist – das geht Zuhause oft genauso gut. Deshalb wollten wir Mobiles Arbeiten breit ermöglichen und haben in unseren Entwurf der Betriebsvereinbarung reingeschrieben, dass Vorgesetzte es begründen müssen, wenn sie sich dagegen sperren. Entgegen unseren Erwartungen ist dieser Punkt in den Gesprächen mit dem Arbeitgeber aber nicht wieder rausgeflogen, sondern dringeblieben. Damals konnte sich nämlich keiner eine solche Situation wie die Pandemie vorstellen und dass die Arbeit von Zuhause so beliebt werden würde – das war unser Glück. Heute führt das dazu, dass viele meiner Kolleginnen und Kollegen noch mobil arbeiten können, während viele der Beschäftigten der anderen Firmen auf unserem Industriepark-Gelände schon wieder 5 Tage ins Büro müssen, denn die haben solche Regelungen nicht.
Ein weiterer Erfolg ist sicher, dass wir den demografischen Wandel innerhalb unseres Betriebsrates sehr gut im Griff haben. Wir durften viele langjährige und erfahrene Kolleginnen und Kollegen in den wohlverdienten Ruhestand verabschieden und haben jetzt rund ein Drittel neue Mitglieder. Als ich den Vorsitz angetreten hatte war mir auch wichtig, dass jeder alles darf, solange er oder sie es sich zutraut. Das führte zu tollen Effekten. Manche sind richtig über sich hinausgewachsen und haben Fähigkeiten entwickelt, die wir gar nicht erwartet hätten.
Auf jeden Fall die Vielfalt der Themen, die ist besonders herausfordernd. Inzwischen gibt es so viele Dinge, mit denen wir uns Beschäftigten, da fällt es nicht leicht, den Überblick zu behalten. Wir wollen ja auch nicht nur Sachen abarbeiten, sondern die Chance haben, neue Ideen aufzunehmen und umzusetzen. Ich finde es auch wichtig, immer mal einen Schritt zurückzugehen und zu schauen: Machen wir alles richtig und machen wir überhaupt das Richtige?
Auch der Fachkräftemangel macht uns ordentlich zu schaffen. Es gibt eine extreme Fluktuation, viele vor allem junge Talente hüpfen durch die Unternehmen und nutzen die Chancen, die sich ihnen bieten. Das ist total verständlich und legitim, reißt aber natürlich immer auch Löcher, die es zu stopfen gilt. Und das ist bei der dünnen Personaldecke echt eine Herausforderung. Kolleginnen und Kollegen stehen immer öfters vor mir und erzählen, wie gern sie ihren Job machen, aber dass sie einfach nicht mehr können. Da gibt es viel aufzufangen, zu vermitteln, Lösungen zu finden.
Und dann ist da ja noch das Megathema Transformation. Als Energiedienstleister sind wir auf funktionierende Anlagen angewiesen, aber viele davon sind schon etliche Jahre oder Jahrzehnte alt. Jemanden zu finden, der die umbaut, ist gerade echt schwer, denn auch hier schlägt der Fachkräftemangel zu. Dort, wo es trotzdem funktioniert, kommen wir als Betriebsrat natürlich auch immer dann mit rein, wenn es um Digitalisierung geht – Stichwort Datenschutz. Unsere Arbeitsgruppe dazu ist in jedem noch so kleinen Segment mit dabei und macht einen richtig guten Job.
Joline Macek ist seit 25 Jahren im Unternehmen, damals noch Bayer, heute CURRENTA, und feiert nächstes Jahr die gleiche Zeitspannen in der Arbeitnehmer:innen-Vertretung. Bereits in ihrer Ausbildungszeit engagierte sie sich in der Jugend- und Auszubildendenvertretung. Im Anschluss daran war sie Chemielaborantin in Wechselschicht als zunächst nicht freigestellte Betriebsrätin. Ebenso lange ist sie Mitglied in der IGBCE, dort auch im Beirat und seit diesem Jahr Vorsitzende des Bezirksvorstandes Köln-Bonn. Nach der Wahl in die Freistellung des Betriebsrates im Jahr 2008 betreute sie über 10 Jahre lang am Standort als auch im Gesamtbetriebsrat die Aus- und Fortbildung, bevor sie diese zeitintensive, aber tolle Aufgabe an ihren Nachfolger zugunsten ihres stellvertretenden Vorsitzes, gefolgt vom Vorsitz, abgab. In ihrer Freizeit engagiert sich Joline im Stadtrat ihrer Heimatstadt Bedburg für einen gelungenen Strukturwandel in der Region und setzt sich für Digitalisierungsthemen ein.