Deutscher Gewerkschaftsbund

22.02.2023
Klipp&Klar

Klipp & Klar: Frauen gewinnen!

Wer Fachkräfte sucht, kann auf Frauen nicht verzichten

Der Fachkräftemangel ist in aller Munde. Der demografische Wandel, die voranschreitende Digitalisierung und eine sich verändernde Wirtschaft erschweren es Arbeitgebern in vielen Branchen, geeignetes Personal zu finden. Dabei liegt ein Teil der Lösung so nahe: In Nordrhein-Westfalen gibt es viele gut ausgebildete Frauen, die gerne (mehr) arbeiten würden. Schlechte Rahmenbedingungen verhindern aber nach wie vor eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen auf dem Arbeitsmarkt: Frauen arbeiten deutlich weniger Stunden als Männer, gehen häufiger einem Minijob nach und bekommen im Schnitt weniger Gehalt. Hier sind Arbeitgeber und Politik gefragt! Sie müssen alle Hürden aus dem Weg räumen, damit Frauen endlich den Anteil auf dem Arbeitsmarkt bekommen, den sie verdienen.

1. Kinderbetreuung ausbauen und verbessern!

Eine gut ausgebaute und qualitativ hochwertige Betreuungsinfrastruktur ist Voraussetzung dafür, dass Eltern mit kleinen Kindern arbeiten können. In NRW kann man davon nur träumen: Nach einer Berechnung der Bertelsmann-Stiftung fehlen 2023 rund 100.000 Kita-Plätze und 24.000 Stellen für Erzieher*innen. Große Lücken gibt es auch bei der Nachmittagsbetreuung von Grundschulkindern, in vielen Kommunen platzen die OGS-Angebote aus allen Nähten. Leidtragende sind meist die Mütter, die gar nicht oder nur wenige Stunden arbeiten können. Wir brauchen daher dringend neue und
nachhaltige Konzepte für eine flächendeckende, gute Kinderbetreuung in NRW.

2. Haus- und Sorgearbeit fair verteilen!

Das Rollenverständnis vieler Väter hat sich in den vergangenen Jahren zum Positiven verändert. Studien zeigen aber: Zwischen Anspruch und aktivem Handeln klafft häufig eine Lücke. Auch im Jahr 2023 übernehmen Frauen noch einen Großteil der Haus- und Sorgearbeit. Dafür reduzieren sie ihre Arbeitszeit und verzichten auf eigenes berufliches Vorankommen. Wir finden: Damit muss endlich Schluss sein! Um Männer von Anfang an stärker einzubinden, sollten Väter nach der Geburt eines Kindes zehn Tage bezahlt freigestellt werden, zudem gilt es, die Partnermonate beim Elterngeld zu erhöhen. Aber auch die Kultur in den Betrieben muss sich ändern: Weder für Männer noch für Frauen darf es ein Karrierehemmnis sein, wenn sie Elternzeit nehmen oder ihre Arbeitszeit für die Familie reduzieren.

3. Arbeitszeiten einführen, die zum Leben passen!

Starre Arbeitszeiten und Anwesenheitspflichten sind Gift für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir brauchen daher einen Rechtsanspruch für die Beschäftigten, ihre Arbeitszeit – im Rahmen des betrieblich Möglichen - individuell zu gestalten. Und zwar hinsichtlich Dauer, Lage und Rhythmus. Auch der Arbeitsort sollte nicht strickt vorgegeben und mobiles Arbeiten möglich sein. Gleichzeitig brauchen wir klare gesetzliche Regeln für mobile Arbeit, damit sie nicht zu einer Entgrenzung der Arbeitszeit führt. Und auch in kleinen Betrieben müssen Frauen künftig das Recht bekommen, nach Phasen der Teilzeit wieder in Vollzeit zurückzukehren.

4. Frauendominierte Berufe aufwerten, klischeefreie Berufsorientierung fördern!

Berufe in der Pflege, Bildung, Erziehung und sozialen Arbeit werden überwiegend von Frauen ausgeübt. Obwohl sie für unsere Gesellschaft unverzichtbar sind, lassen die Arbeitsbedingungen zu wünschen übrig: Eine hohe Arbeitsbelastung und gesundheitliche Risiken treffen auf geringe finanzielle und gesellschaftliche Wertschätzung. Kein Wunder, dass die Teilzeitquote hoch und die Verweildauer in diesen Branchen niedrig ist. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, müssen diese frauendominierten Berufe endlich aufgewertet werden – durch höhere Gehälter, bessere Weiterbildungs- und Aufstiegsperspektiven, Flächentarifverträge und eine angemessene Personalbemessung. Darüber hinaus gilt es, durch eine klischeefreie Berufsorientierung das Berufswahlspektrum junger Frauen zu vergrößern und sie für zukunftsfeste, gut bezahlte Berufe im technischen oder naturwissenschaftlichen Bereich zu gewinnen.

5. Tarifbindung stärken, Minijobs reformieren!

In einigen Branchen ist der Fachkräftemangel hausgemacht: Die Arbeitsbedingungen sind einfach zu schlecht und die Bezahlung zu niedrig, um Personal zu gewinnen. Das gilt vor allem für Unternehmen, die nicht tarifgebunden sind. Und das werden leider immer mehr. Arbeiteten Mitte der 90er Jahre noch 82 Prozent der Beschäftigten in NRW unter einem Tarifvertrag, sind es heute nur noch 57 Prozent. Dabei wissen wir: In tarifgebundenen Unternehmen sind die Gehälter höher, Zusatzleistungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld oft Standard und die Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern geringer. Um die betroffenen Branchen (für Frauen) attraktiver zu machen, müssen wir daher eine Trendumkehr bei der Tarifbindung schaffen. Für NRW bedeutet das: Wir brauchen wieder ein Tariftreuegesetz, das seinen Namen verdient! Öffentliche Aufträge sollten nur an Unternehmen vergeben werden, die nach Tarif bezahlen.

Zudem müssen Minijobs nachhaltig reformiert werden. Sie stellen eine besonders prekäre Form (weiblicher) Teilzeitarbeit dar. Im Sinne der Frauen und der Fachkräftesicherung gilt daher: Minijobs müssen endlich ab der ersten Arbeitsstunde sozialversicherungspflichtig werden!

6. Fehlanreize im Steuerrecht abschaffen!

Nicht nur fehlende Kinderbetreuung, schlechte Arbeitsbedingungen und Bezahlung sowie überkommene Rollenzuschreibungen hindern Frauen daran, den Anteil auf dem Arbeitsmarkt zu haben, der ihnen zusteht. Auch der Staat sorgt mit einem ungerechten Steuermodell dafür, dass viele Frauen deutlich weniger arbeiten als sie eigentlich könnten. Das Ehegattensplitting verleitet dazu, dass der Mann Allein- oder Hauptverdiener ist und die Frau allenfalls hinzuverdient. Vor allem die Steuerklasse V mit ihrer übermäßig hohen Steuerlast für den weniger verdienenden Ehepartner – meist die Frau – macht reguläre Beschäftigung unattraktiv und treibt Frauen in die Minijobs. Wir brauchen daher dringend eine Steuerreform, die die Steuerklassenkombination III/V abschafft und längerfristig das Ehegattensplitting überwindet.

 


Interesse am Thema geweckt?

Der DGB-Bundesvorstand hat vielfältige Informationen zum Thema Frauen & Fachkräftesicherung zusammengestellt.


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Hier gibt es das 2-seitige Argumentationspapier "Klipp&Klar" zum Download.


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