Die Energiekrise entwickelt sich zur sozialen Krise. Die Inflation und die steigenden Energiekosten sind für viele Menschen bis weit in die Mitte der Gesellschaft und für viele Unternehmen nicht mehr zu tragen. Die Bundesregierung hat mit den Entlastungspaketen reagiert und einige Forderungen des DGB aufgegriffen. Viele Maßnahmen werden nicht kurzfristig greifen, deshalb muss die Bundesregierung nachliefern. Jetzt kommt es auf eine wirkungsvolle und schnelle Umsetzung mit einer sicheren Finanzierung an. Bund, Land und Kommunen können aber noch mehr dafür tun, dass wir besser durch die Krise kommen! Wir haben konkrete Vorschläge:
Der Grundbedarf von Privathaushalten muss für alle bezahlbar bleiben! Die Bundesregierung hat nun eine Strompreisbremse angekündigt. Das ist ein erster Schritt, auch wenn die Ausgestaltung noch unklar ist. Damit niemand Sorge vor dem Winter haben muss, brauchen wir aber einen Energiepreisdeckel, der auch für Gas gilt. Gleichzeitig sollte Energie, die über den Grundbedarf hinaus verbraucht wird, mehr kosten. Das ist ein wirksamer Anreiz zum Energiesparen und eine deutliche Entlastung vor allem für Haushalte mit kleinem und mittlerem Einkommen. Bis die Strompreisbremse umgesetzt und ein vergleichbares Instrument für den Gasverbrauch kommt, brauchen wir eine weitere Energiepreispauschale von 500 Euro, die sofort Entlastung bringt.
Während die steigenden Preise die privaten Verbraucher*innen und viele Betriebe immer stärker belasten, profitieren einige Unternehmen von der Krise. Vor allem große Energie- und Mineralölkonzerne fahren aufgrund der steigendenden Preise auf den Rohstoffmärkten hohe Gewinne ein. Diese müssen zur Gegenfinanzierung der Entlastungsmaßnahmen genutzt werden. Die Bundesregierung hat nun angekündigt, Zufallsgewinne abzuschöpfen. Das muss jetzt schnell umgesetzt werden.
Nie war es wichtiger als jetzt, das ungerechte Steuersystem in Deutschland auf den Prüfstand zu stellen. Bisher ist nicht vollständig geklärt, wie die Entlastungsmaßnahmen des Bundes finanziert werden sollen. Hinzukommt, dass schon jetzt im Bundeshaushalt bei der Gesundheitsversorgung oder bei Zukunftsinvestitionen gekürzt wird. Wir brauchen aber dringend Investitionen! Mit dem DGB-Steuerkonzept würden 95 Prozent der Haushalte bessergestellt, vor allem Menschen mit geringem und mittlerem Einkommen deutlich entlastet und Spitzenverdienende und Vermögende stärker zum Steueraufkommen herangezogen. Wesentliche Instrumente sind u.a. die Anhebung des Grundfreibetrages, späteres Einsetzen und gleichzeitige Anhebung des Spitzensteuersatzes, Einführung einer Reichen- und Kapitalertragssteuer.
Niedersachsen hat es vorgemacht: In Ergänzung zu Maßnahmen des Bundes muss die Landesregierung einen Härtefallfonds in Höhe von 100 Mio. Euro einrichten. Damit er zielgenau vor Ort wirken kann, sollten Kommunen in die Konzeption einbezogen werden. Ziel ist es, dass Menschen in besonderen Notlagen schnell und unkompliziert Unterstützung bekommen, aber auch Weiterbildung und Freizeitangebote müssen weiter genutzt werden können.
Wir dürfen nicht zulassen, dass Unternehmen aufgrund der hohen Energiekosten Beschäftigte entlassen, ins Ausland abwandern oder ihr Geschäftsmodell ganz aufgeben müssen. Für die Sicherung von Arbeitsplätzen braucht es daher auch passgenaue Stabilisierungsprogramme für Betriebe und sichere Perspektiven für Unternehmen, damit die Energiekosten wieder bezahlbar werden. Die Bundesregierung hat Hilfsprogramme angekündigt, diese müssen nun schnellstmöglich umgesetzt werden. Solidarität darf aber keine Einbahnstraße sein: Wenn staatliche Gelder fließen, müssen die Unternehmen in die Pflicht genommen werden, Beschäftigung zu sichern und gute Arbeit anzubieten.
Kommunen fehlt es an Mitteln, um in die soziale Infrastruktur, das Bildungssystem oder den ÖPNV zu investieren. Gleichzeitig werden auch sie von steigenden Energiepreisen getroffen. Deshalb ist es zentral, die Kommunen schnellstens zu entschulden und ihre Handlungsfähigkeit dauerhaft sicher zu stellen. Die Landesregierung hat dies in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt – jetzt ist es Zeit zu handeln!
Wir müssen alle Möglichkeiten überprüfen, um den Energieverbrauch auch der privaten Haushalte um zwanzig Prozent zu senken. Das heißt: Öffentliche Einsparpotenziale müssen genutzt und vor allem konsumstarke Privathaushalte mit einem hohen Energieverbrauch stärker zum Einsparen verpflichtet werden. Für einkommensschwächere Haushalte braucht es vom Land Unterstützungsmaßnahmen, damit auch sie sich am Energiesparen beteiligen können. Am Arbeitsplatz darf die Energieeinsparung nicht zu Lasten des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes gehen.
Für existenzsichernde Einkommen muss die Tarifbindung gestärkt und das Tariftreuegesetz in NRW novelliert werden. Die Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro sowie die geplante Erhöhung des SGB II Regelsatzes mit der Einführung eines Bürgergeldes sind wichtige Schritte für Menschen mit geringem Haushaltseinkommen. Die Anhebung des Regelsatzes muss sofort und in angemessener Höhe unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklungen erfolgen.
Bund, Land und Kommunen müssen sicherstellen, dass Menschen nicht aufgrund der Energiekrise wohnungslos werden oder ihnen die Strom- oder Gasleitungen abgestellt werden. Der von der Bundesregierung angekündigte Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger*innen ist dabei ein wichtiger Schritt, weitere müssen folgen. In einigen Kommunen wurden bereits Vereinbarungen mit Wohnungsgesellschaften oder Versorgern getroffen.
Insbesondere Familien leiden unter den steigenden Kosten und müssen entlastet werden. Die Bundesregierung hat mit der Erhöhung des Kindergeldes und des Kinderzuschlages einen kleinen Teil dazu beigetragen, nun muss die Landesregierung nachziehen: Zum Beispiel durch kostenloses Schul- und Kitaessen oder durch ein weiteres beitragsfreies Kitajahr. Letzteres hat die Landesregierung im Koalitionsvertrag angekündigt und muss es nun schleunigst umsetzen.
Das 9-Euro-Ticket war ein Verkaufsschlager, an den die Bundesregierung anknüpfen will. Das ist gut, denn ein preiswerter und qualitativ hochwertiger öffentlicher Personennahverkehr mindert den hohen Kostendruck und fördert die Mobilitätswende. Land und Bund müssen nun bei der Finanzierung an einem Strang ziehen und schnell handeln. Faire Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten, Investitionen in die Infrastruktur und die Steigerung der Attraktivität müssen dabei mit auf dem Programm stehen – hier besteht großer Nachholbedarf!
Die aktuelle Energiekrise und die hohe Abhängigkeit von Importen fossiler Energieträger zeigt: Der schnelle und massive Ausbau erneuerbarer Energien sowie nachhaltige Investitionen in und Förderung von Energieeffizienz und Klimaschutz sind unabdingbar. Dafür brauchen wir entschlossenes staatliches Handeln und Investitionen, verlässliche Rahmenbedingungen für Unternehmen und vor allem die Beteiligung der Beschäftigten. Jetzt müssen die im Koalitionsvertrag angekündigte Sonderförderung von Solar und Windrädern kurzfristig von der Landesregierung NRW umgesetzt werden.
Stand: 07. September 2022
Flyer "Besser durch die Krise" downloaden (PDF)