Warum hast Du Dich in den Personalrat wählen lassen?
Ich fand es vor allem spannend, mal über den Tellerrand zu gucken. Hier im Personalrat bekommt man noch einmal eine ganz andere Perspektive auf die Arbeit und den Arbeitgeber, die ich als einfache Pflegekraft nicht hätte. Auch kann man hier dem Haus, das mir inzwischen eine richtige Heimat geworden ist, was zurückgeben. Immer nur meckern hilft nicht, man muss auch selbst was tun. Und da die Karriereleiter nie mein Ziel war, ist der Personalrat ein toller Ort, wo man etwas bewegen und verbessern kann – für die Beschäftigten, aber auch für den Arbeitgeber.
Natürlich vermisse ich meine alte Station und immer, wenn ich dort bin, denke ich an die alten Zeiten zurück. Aber mit der Freistellung hab ich jetzt die Zeit, viel im Haus unterwegs zu sein, Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen zu führen und so ein Gespür dafür zu bekommen, wo der Schuh drückt.
Was war der größte Erfolg als Personalrat bislang?
Ganz vorne mit dabei ist sicher der Tarifvertrag Entlastung (TV-E), den wir letzten Sommer durchgesetzt haben – denn die Kolleginnen und Kollegen brauchen genau das dringend: Entlastung. Als ich 1999 auf der Intensivstation angefangen hatte haben wir mit sechs Leuten acht Patentinnen und Patienten betreut. Vor meiner Freistellung 2015 war das Verhältnis zwölf zu fünf, hat sich also enorm verschlechtert. Auch machen ein Drittel der Azubis ihre Ausbildung nicht fertig, viele, weil die Arbeitsbelastung so hoch ist. Und in der Pflege hat man zwischen den Schichten kaum noch das Gefühl, frei zu haben, weil man ständig einspringen muss oder auf Abruf ist. Das alles führt dazu, dass Beschäftigte auf dem Zahnfleisch gehen oder überhaupt nicht mehr können.
Vor vier Jahren war es dann genug. Viele Kolleginnen und Kollegen haben sich zusammengetan und deutlich gemacht: Es reicht, wir wollen das so nicht mehr. Es wurde ein Verein gegründet und Druck gemacht, den man zum ersten Mal deutlich bei den Tarifverhandlungen 2021 spürte. Die Uniklinik Münster war nie gewerkschaftliche Hochburg, aber in dieser Zeit konnten wir viele Beschäftigte erreichen und unsere Gewerkschaftsmitgliederzahlen sogar verdoppeln. Und nach dem Erfolg 2021 war klar: Wir starten mit den anderen Unikliniken in NRW die Auseinandersetzung um den Tarifvertrag Entlastung, um das Grundproblem der massiven Belastung gemeinsam und mit geballter Kraft anzugehen.
Spannend und wichtig war dabei, dass wir es nicht nur mit dem Arbeitgeber zu tun hatten, sondern die Politik stark mit im Boot war. Gesundheitsminister Laumann musste seine Zusage geben, dass das Land hier mitzieht, sonst hätten die Arbeitgeber gar nichts gemacht. Wir waren also ständig zweigleisig unterwegs, das gab es bislang noch nicht. Und auch der gewaltige Erfolg bei der Mobilisierung war für uns neu. Wo früher vielleicht mal 100 Leute zu einem Streik gekommen waren, hatten wir am ersten Warnstreiktag zum TV-E 700 Beschäftigte auf der Straße. Sogar im Ausland hat man sich für die Verhandlungen interessiert. Kolleginnen und Kollegen aus Madrid haben uns besucht und geschaut, was wir da machen, wie wir uns vernetzen und mit welchen Tools wir arbeiten.
Natürlich ist das Ergebnis am Ende ein Kompromiss, aber durchaus einer, der sich sehen lassen kann: Mit dem jetzt festgesetzten Verhältnis von Patienten zu Pflegekräften können wir sehr zufrieden sein, da sind wir mit den Forderungen durchgekommen. Zudem ist es uns erstmalig gelungen, auch andere Berufsgruppen als die Pflege mit in den Abschluss reinzubekommen, damit diese auch davon profitieren.
Was ist die größte Herausforderung in der nächsten Zeit?
Definitiv die Umsetzung des Tarifvertrags Entlastung – hier braucht es noch viel Arbeit und einen langen Atem, gerade weil das ganze nicht von heute auf morgen zu wuppen ist. Zum einen gilt es, den Abschluss innerhalb der Belegschaft zu erklären und dafür zu werben, zum anderen aktiv in die Umsetzung zu gehen. Dabei müssen wir dem Arbeitgeber natürlich auf die Finger schauen, aber das steht gar nicht so sehr im Vordergrund, weil wir eigentlich alle das Gleiche wollen. Vielmehr geht es darum, dass wir sehr viele Kolleginnen und Kollegen aus allen Abteilungen brauchen, damit wir das Wissen haben, mit dem die Umsetzung am Ende funktioniert. Hier sind wir als Personalrat in der Pflicht, zu motivieren, alle beieinander zu halten und auf unser Ziel zu fokussieren.
Eine gute Krankenhausversorgung ist essenziell für unsere Gesellschaft und kann nur funktionieren, wenn die Beschäftigten entsprechende Arbeitsbedingungen haben, um ihren Job gut zu machen. Und das wird durch den demografischen Wandel ja noch wichtiger: Wenn unsere Gesellschaft immer älter wird und dadurch mehr Menschen behandelt werden müssen, aber gleichzeitig viele Beschäftigte der Krankenhäuser in den nächsten Jahren in Rente gehen, passt das nicht mehr zusammen. Deshalb müssen Krankenhäuser künftig neu gedacht werden und wir als Personalrat haben da eine ganz wichtige Funktion, diese Reform mitzugestalten. Wir geben Denkanstöße und nutzen unsere Netzwerke, damit am Ende für die Beschäftigten und Patienten das beste rauskommt.
Zur Person
Maik Vespermann setzt sich seit 2012 im Personalrat für seine Kolleginnen und Kollegen in der Uniklinik Münster ein, seit 2016 ist er freigestellt. Seinen Arbeitgeber kennt der heute 48-Jährige aber schon viel länger: 1993 fing alles mit dem Zivildienst an, ein gutes Jahr später wurde daraus eine reguläre Anstellung als Pflegehelfer. Der Job gefiel dem Münsteraner so gut, dass er 1996 eine Ausbildung zur Pflegekraft startete und nach drei Jahren als fertige Pflegekraft auf den Intensivstationen weiter für seine Patientinnen und Patienten da war. Mit der langjährigen Erfahrung wechselte Maik dann 2015 ins Casemanagement.