Der DGB veröffentlicht mit dem Niedriglohnreport eine umfassende Bestandsaufnahme zum Niedriglohnsektor in NRW. Dazu erklärt Sabine Graf, stellvertretende Vorsitzende des DGB NRW:
„Unser Niedriglohnreport macht deutlich: Die Lage vieler Beschäftigter ist dramatisch – und es besteht dringender Handlungsbedarf. Das Risiko, zu Niedriglöhnen, also unter 11,21€ die Stunde, zu arbeiten, ist in NRW mittlerweile höher als im westdeutschen Vergleich. 2018 waren in NRW rund 1,7 Millionen Beschäftigte im Niedriglohnsektor tätig, das entspricht 22,8 Prozent der Beschäftigten in NRW.
Auch wenn das Niedriglohnrisiko stark durch die Branche geprägt ist, fällt auf, dass insbesondere Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund ein höheres Niedriglohnrisiko haben. Auch Geringqualifizierte sind überdurchschnittlich häufig betroffen – rund 44 Prozent der Beschäftigten ohne Berufsausbildung arbeiten unter der Niedriglohngrenze. Das zeigt, wie wichtig eine gute berufliche Qualifizierung ist.
Jetzt muss dringend gegengesteuert werden – und das effektivste Mittel dafür sind Tarifverträge. Sie haben über alle Branchen hinweg einen großen Einfluss, wie unsere Studie zeigt: 2018 hatten in NRW 31 Prozent der Beschäftigten ohne Tarifvertrag einen Niedriglohn – gegenüber nur elf Prozent der Beschäftigten mit Tarifvertrag.
Der Auftrag an die Politik ist deutlich: Tarifverträge müssen leichter für allgemeinverbindlich erklärt werden können, damit möglichst viele Menschen tatsächlich von ihrer Arbeit leben können und sie der Niedriglohn nicht direkt ins Jobcenter führt. Um die Tarifbindung zu verbessern, muss auch die Vergabe öffentlicher Aufträge als Hebel genutzt werden. Es ist nicht zu tolerieren, dass die öffentliche Hand Aufträge an Unternehmen vergibt, die keine Tarifverträge anwenden.“
„Um Niedriglöhne und die damit einhergehende Altersarmut im Einzelhandel zu verhindern und Existenzen zu schützen, fordert ver.di die Anerkennung der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen. Nur so kann die aktuelle Tarifbindung von bundesweit 22 Prozent im Einzelhandel angehoben und Arbeitsbedingungen sowie das Lohnniveau dauerhaft verbessert werden. Der Preiskampf darf nicht weiter über den Gehaltszettel der Beschäftigten geführt werden.“
„Für den Ausweg aus der Niedriglohnfalle brauchen wir neben starken Tarifverträgen die Rücknahme der sogenannten ‚Flexibilisierungen‘ am Arbeitsmarkt, die zu Lasten der Beschäftigten gehen. Im Organisationsbereich der IG BAU betrifft dies zum Beispiel die Reinigungsberufe, aber auch die Floristinnen und Floristen. In beiden Berufen arbeiten sehr viele Minijobberinnen und Minijobber. Diese Beschäftigungsform führt dazu, dass die Kolleginnen und Kollegen ihre Arbeitszeit nicht ausweiten und wie jetzt im Krisenfalle nicht sozial abgesichert sind. Wir fordern eine Sozialversicherungspflicht für Arbeit ab dem 1. Euro, damit die Beschäftigten fließend ihre Arbeitszeit erhöhen können, sozial jetzt und in der Rente abgesichert sind und so eine eigenständige finanzielle Existenz aufbauen können.“
„Die Studie belegt, was wir schon oft beschrieben haben: Die Menschen, die in der Gastronomie arbeiten, können sich das Essen, welches sie für den Gast zubereiten, oft selbst nicht leisten. Sie müssen sich trotz dreijähriger Ausbildung mit dem Niedriglohn begnügen. Die Ursachen sind vielschichtig. Es fängt bei den Gästen an: Erst wenn wir alle bereit sind, für gutes Essen einen angemessenen Preis zu bezahlen, können Gastronomen auskömmliche Löhne bezahlen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Branche zehn sehr gute Jahre hinter sich hat. Die Studie zeigt, dass trotz vielfach gestiegener Gewinne die Armut unter den Beschäftigten nicht geringer geworden ist, weil der Profit nicht an die Beschäftigten weitergegeben wurde. Für diese Kurzsichtigkeit bezahlt die Branche einen hohen Preis: Viele qualifizierte Fachkräfte kehren dem Gastgewerbe den Rücken. Das zeigt sich nicht zuletzt an den sinkenden Ausbildungszahlen. Selbst im ungelernten Bereich ist es vielen Betrieben zuletzt schwergefallen, Arbeitskräfte zu finden. Die Unternehmen müssen mehr für ihre Branche tun, um diesen Trend zu stoppen. Ein erster wichtiger Schritt: Armutsfeste Löhne.“
Den Niedriglohnreport können Sie hier downloaden:
Eine Bestandsaufnahme des DGB NRW