Deutscher Gewerkschaftsbund

PM - 14.06.2022

DGB-Studie zu Tarifverträgen und Tarifflucht

In Kooperation mit dem DGB NRW hat das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung die Entwicklung der Tarifbindung in Nordrhein-Westfalen untersucht. Die Studie „Tarifverträge und Tarifflucht in Nordrhein-Westfalen“ wurde heute in Düsseldorf der Presse vorgestellt.

Die Studie zeigt, dass Arbeitnehmer*innen deutlich weniger verdienen, wenn sie in einem Unternehmen ohne Tarifvertrag arbeiten. So beträgt der unbereinigte Rückstand beim Entgelt in NRW knapp 18 Prozent. Und selbst, wenn Unterschiede zwischen den Betrieben (z.B. die Branchenzugehörigkeit, die Betriebsgröße und die Qualifikationsstruktur der Beschäftigten) herausgerechnet werden, bekommen Beschäftigte in tariflosen Unternehmen im Schnitt knapp 8 Prozent weniger Gehalt. Auch bei der Arbeitszeit gibt es große Unterschiede: Arbeitnehmer*innen ohne Tarifvertrag arbeiten in NRW durchschnittlich 39,4 Stunden pro Woche – eine Stunde länger als Beschäftigte in Betrieben mit Tarifvertrag.

Laut der vorliegenden Studie werden im Moment 57 Prozent der Beschäftigten in NRW nach Tarif bezahlt. Das ist im Vergleich zu allen anderen Bundesländern zwar nach wie vor die höchste Quote, sie ist aber seit Mitte der 90er Jahre stark gesunken – 1996 lag sie noch bei 82 Prozent. In den einzelnen Branchen ist die Tarifbindung in NRW sehr unterschiedlich stark und reicht von 34 Prozent im Einzelhandel bis zu 97 Prozent in der öffentlichen Verwaltung.

Dazu erklärt Anja Weber (Vorsitzende des DGB NRW): „Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Tarifbindung in NRW dringend gestärkt werden muss. Einen fairen Lohn und gute Arbeitsbedingungen gibt es nur mit Tarifvertrag. Beschäftigte in Unternehmen mit Tarifvertrag verdienen besser und arbeiten kürzer als Beschäftigte in tariflosen Unternehmen. Tarifverträge sind zudem ein wichtiges Instrument für eine gerechte und demokratische Gesellschaft: Gehalt und Arbeitsbedingungen werden nicht einseitig nach Gutsherrenart festgelegt, sondern auf Augenhöhe von Gewerkschaften und Arbeitgebern ausgehandelt.“ Dem kontinuierlichen Rückgang der Tarifbindung müsse dringend Einhalt geboten werden, so Weber weiter: „Wir erwarten von der neuen Landesregierung, dass sie zügig ein Tariftreuegesetz auf den Weg bringt, das seinen Namen verdient: Öffentliche Aufträge sollten nur an Unternehmen vergeben werden dürfen, die tarifgebunden sind. Und auch bei der Vergabe von Fördergeldern muss Tarifbindung stärker berücksichtigt werden. Damit würden Dumpinglöhne verhindert und tarifgebundene Unternehmen gestärkt.“

Prof. Thorsten Schulten (WSI) macht deutlich: „Die Politik hat sich in Nordrhein-Westfalen in den letzten Jahren deutlich zu einer Stärkung der Tarifbindung bekannt. Allerdings wurde der landespolitische Gestaltungsspielraum bei weitem nicht ausgeschöpft. Während Nordrhein-Westfalen einmal über das entwickelteste und fortschrittlichste Tariftreuegesetz verfügte, ist es mittlerweile bundesweit vom Vorreiter zum Nachzügler geworden.“ Dabei verfüge gerade das Bundesland mit den meisten Einwohnern und dem größten Bruttoinlandsprodukt in der öffentlichen Auftragsvergabe und der regionalen Wirtschaftsförderung über ein erhebliches ökonomisches Steuerungspotential, das mit einem wirkungsvollen Tariftreuegesetz zur Förderung des Tarifsystems eingesetzt werden könnte. 

Mohamed Boudih (Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten NRW) ergänzt: „Wir brauchen echte Bekenntnisse zur Tarifbindung. Es kann nicht sein, dass zum Beispiel Schulspeisungen, die eindeutig der Vergabe öffentlicher Aufträge unterliegen, an Unternehmen vergeben werden, die sich nicht an Tarifverträge halten. Damit wird nicht nur Lohndumping mit Steuermillionen gefördert, sondern Tarifflucht gestärkt.“


Die Pressemitteilung der Hans-Böckler-Stiftung zur Studie finden Sie hier.


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