Integrieren statt stigmatisieren

Langzeitarbeitslose in Arbeit vermitteln

Es ist paradox: Obwohl viele Unternehmen händeringend nach Arbeits- und Fachkräften suchen, steigt die Arbeitslosigkeit in NRW an. Betroffen sind vor allem Langzeitarbeitslose, sie haben kaum Chancen, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Mit der Einführung des Bürgergeldes hat die Bundesregierung darauf reagiert und einen wichtigen Richtungswechsel eingeläutet: Nicht nur die Bezüge wurden angehoben, vor allem gibt es bessere Förderangebote und mehr Unterstützung für Langzeitarbeitslose zur Integration in den Arbeitsmarkt.

Leider gibt es viele Stimmen in der öffentlichen Debatte, die das Bürgergeld ablehnen und die Empfänger*innen unter Generalverdacht stellen. Druck und Diffamierung sind aber der falsche Weg, wenn wir mehr Menschen in Arbeit und in ein selbstbestimmtes Leben bringen wollen. In dieser Klipp&Klar räumen wir mit Vorurteilen und Unwahrheiten auf und machen Vorschläge, wie tatsächlich die Langzeitarbeitslosigkeit in NRW zurückgefahren werden kann.

Arbeit lohnt sich

Die Bauhauptung, durch das Bürgergeld würde sich Arbeiten nicht mehr lohnen, ist schlichtweg falsch. Berechnungen der Hans-Böckler-Stiftung zeigen: Bei Alleinstehenden, die in Vollzeit zum Mindestlohn arbeiten, sind es im Durchschnitt 532 Euro monatlich mehr, bei Familien mit drei Kindern und einem Mindestlohneinkommen sind es zwischen 429 und 771 Euro mehr – abhängig vom Alter der Kinder. Das liegt vor allem daran, dass auch Geringverdiener*innen Anspruch auf zusätzliche Leistungen wie Wohngeld oder Kinderzuschlag haben – und zudem einen größeren Freibetrag bei ihrem Erwerbseinkommen. Und klar ist auch: Wenn es darum geht, den Lohnabstand zu vergrößern, sollte nicht beim Bürgergeld gekürzt, sondern beim Mindestlohn eine Schippe draufgelegt und die Tarifbindung gestärkt werden. Die beiden Gruppen gegeneinander auszuspielen ist unredlich und lenkt davon ab, wo die wirklichen Ungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft liegen.

Sanktionen bringen wenig

Auch die Annahme, mit dem Bürgergeld seien Sanktionen nicht mehr möglich, stimmt nicht. Das Bürgergeld ist kein bedingungsloses Grundeinkommen: Mitwirkungspflichten und Leistungsminderungen sind nach wie vor möglich und kommen auch zum Einsatz. Allerdings ist fraglich, ob Sanktionen überhaupt den gewünschten Effekt haben. Drohungen und Strafen sind in der Regel wenig geeignet, um Menschen zu motivieren, mit den Jobcentern zusammenzuarbeiten. Meist ist es erfolgsversprechender, auf Kooperation zu setzen. Das ist der wahre Grund, warum die Sanktionsquote in NRW und in ganz Deutschland so niedrig ist. Es sind tatsächlich nur eine Handvoll Menschen, die zumutbare Arbeit mehrfach grundlos verweigern und dann zurecht sanktioniert werden müssen. Dass diese schwarzen Schafe im Fokus der Debatte stehen und ein schlechtes Licht auf alle Bürgergeldempfänger*innen werfen, sollten wir nicht zulassen.

Den Menschen in den Blick nehmen

Die Gründe für Langzeitarbeitslosigkeit sind vielfältig. Manche Menschen befinden sich in Lebenskrisen, sind krank oder haben psychosoziale Probleme. Eine Großzahl hat keinen Berufsabschluss, viele sind über 55 Jahre alt. Auch Alleinerziehende mit Kleinkindern sind häufig von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen. Hinzu kommt: Jede*r fünfte Bürgergeldempfänger*in ist gar nicht arbeitslos. Ihr Gehalt ist aber so gering, dass sie trotz Erwerbstätigkeit Sozialleistungen empfangen müssen. Kurzum: Bürgergeldempfänger* innen als untätig zu stigmatisieren ist unfair und falsch.

So kann es gehen:

1. Mehr und passgenaue Förderung!

Langzeitarbeitslose brauchen eine intensive, vernetzte und langfristig angesetzte Betreuung. Deswegen muss nun umgesetzt werden, was das Bürgergeld möglich macht: Niedrigschwellige Angebote zur Förderung von Grundkompetenzen. Eine (engere) Verzahnung sollte mit berufs- und ausbildungsbegleitender Sprachförderung, psychosozialen Hilfen und Angeboten der Gesundheitsförderung erfolgen. Wir müssen realistisch bleiben: Es gibt nicht die eine schnelle Lösung gegen Langzeitarbeitslosigkeit.

2. Bessere Betreuung durch besser ausgestattete Jobcenter!

Eine intensive Betreuung kostet Geld. Das Ziel, mehr Menschen in Arbeit zu vermitteln, passt nicht zu der gleichbleibenden Finanzierung der Jobcenter. Schon jetzt bleibt immer weniger Geld für Eingliederungsmaßnahmen, wie z.B. den sozialen Arbeitsmarkt, weil die Verwaltungskosten stetig steigen.

3. Qualifizierung vorantreiben!

Weiterbildung ist das wirkungsvollste Instrument, um Langzeitarbeitslose in Arbeit zu bringen. Vor allem bei jungen Menschen waren in der Vergangenheit finanzielle Anreize, wie der Bürgergeldbonus, sehr wirksam. Dieses Instrument wurde nun leider gestrichen. Auch die von der Bundesregierung beschlossene Übertragung der beruflichen Weiterbildung von den Jobcentern auf die Arbeitsagenturen schafft unnötige Reibungsverluste. Qualifizierung spielt auch eine Schlüsselrolle, wenn es darum geht, Menschen vor (Langzeit-)Arbeitslosigkeit zu schützen. Die Bundesregierung hat ein Qualifizierungsgeld für Beschäftigte beschlossen, das nun erfolgreich umgesetzt werden muss.

4. Anreize schaffen, Missbrauch abbauen!

Der Soziale Arbeitsmarkt ist ein wichtiger Meilenstein. Die mehrjährige Förderung von Beschäftigungsverhältnissen gepaart mit einer engen Begleitung ist sowohl für Langzeitarbeitslose als auch für Arbeitgeber attraktiv. Dieses Modell muss ausgebaut und stärker angewendet werden. Wer Missbrauch des Bürgergeldes begegnen will, muss vor allem der Schwarzarbeit einen Riegel vorschieben. Dafür braucht es deutlich mehr Kontrollen.

5. Geflüchtete und junge Arbeitslose gezielt unterstützen!

Arbeitslose mit Fluchtgeschichte brauchen eine möglichst qualifikationsadäquate Vermittlung und berufsbeglei-tende Sprach- und Qualifizierungsangebote. Viele Ukrainer*innen haben ihren Integrationskurs inzwischen abgeschlossen, warten aber auf die Anerkennung ihrer Qualifikation oder einen Betreuungsplatz. Diese Prozesse müssen schneller und parallel umgesetzt werden. Arbeit ist und bleibt der beste Integrationsmotor! Die vielen (potenziellen) arbeitslosen Jugendlichen brauchen eine enge Betreuung und Unterstützung beim Übergang von der Schule in den Beruf. Dafür müssen u.a. die Jugendberufsagenturen sowie die Übergangslotsen flächendeckend gestärkt und ausgebaut werden. Mit einer Ausbildungsgarantie und einem umlagefinanzierten Zukunftsfonds, der die Ausbildungskosten fairer unter allen Betrieben verteilt, könnten alle Jugendlichen, die einen Ausbildungsplatz suchen, auch einen bekommen.


Download (PDF)

Klipp - Klar Langzeitarbeitslose.pdf (PDF, 271 kB)