Einzig die Solarstromoffensive des Klimadezernenten William Wolfgramm ist nach Auffassung des Kölner DGB-Vorsitzenden ein Lichtblick: „Hier wird erstmalig deutlich, dass Köln mehr braucht als eine Debatte über den Zeitpunkt des Ausstiegs aus der fossilen Energieversorgung. Wer die Energiewende will, muss sich mit konkreten Maßnahmen für den massiven Ausbau erneuerbarer Energie einsetzen.“
Ganz anders sieht es nach Auffassung des DGB beim Wohnungsbau aus. „Mit der Hängepartie bei der Verlagerung des Großmarktes wird der Zeitplan für die Parkstadt Süd gefährdet. 2007 hat der Rat die Verlagerung des Großmarktes beschlossen. Der Beschluss wurde 2018 vom Rat erneuert. Die Mehrheitsfraktionen haben diesen Beschluss nun einkassiert, um einen Teil der Fläche für den 1. FC Köln vorzuhalten, dessen Erweiterungspläne am Geißbockheim von Teilen des Bündnisses politisch nicht gewollt sind. Diese Blockade bei der Verlagerung des Großmarktes gefährdet den dringend notwendigen Wohnungsneubau in der Parkstadt Süd. Sie gefährdet aber auch das Vertrauen in die Verbindlichkeit politischer Beschlüsse. Und sie gefährdet den Großmarkt, der jährlich rund 1,2 Mio. Tonnen Ware umschlägt und damit eine wichtige Versorgungsfunktion in unserer Stadt wahrnimmt,“ so Jörg Mährle, Geschäftsführer der DGB-Region Köln-Bonn.
Beim Großmarkt setzt sich aus Sicht von Mährle fort, was vorher schon beim Godorfer Hafen und der Ost-West-Achse zu erkennen war: „Die Stadt ist in einzelnen kontroversen Fragen entschlussunfähig. Probleme werden ausgesessen und mittels Prüfaufträgen auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben. Jetzt rächt sich beispielsweise, dass der Ausbau des Godorfer Hafens verschleppt wurde. Der Ausbau hätte dazu beigetragen, den LKW-Verkehr zwischen dem Kölner Norden und Süden deutlich zu reduzieren.“
Kritisch sieht der DGB auch die bisherigen Ankündigungen und Beschlüsse von Grünen, CDU und Volt zur innerstädtischen Mobilitätswende.
„Da ist kein schlüssiges Verkehrskonzept sichtbar, sondern eine Ansammlung kleinteiliger Maßnahmen zur Bedienung von Klientelinteressen,“ so Witich Roßmann: „Es ist überhaupt nicht erkennbar, wie Grüne, CDU und Volt im Verkehrssektor die Klimaziele der Berliner Ampelkoalition erreichen und dabei gleichzeitig die Mobilitätsbedürfnisse und -erfordernisse von Mensch und Wirtschaft sicherstellen wollen. Wir sehen keine echte Bedarfsrechnung: Welche ÖPNV Ausbaumaßnahmen reduzieren wieviel motorisierten Individualverkehr bis 2030? Wieviel motorisierter Individualverkehr muss bis 2030 emissionsfrei werden und wieviel Elektroladestruktur braucht man dafür? Die Ratsmehrheit stürzt sich auf Fahrradwege und ignoriert faktisch neue Mobilitätsformen wie E-Mobilität (Ladeinfrastruktur) und autonomes Fahren (Robo-Taxi) als Säulen einer zukunftsgerichteten CO²-neutralen Mobilität. Außerdem bauen die Mehrheitsparteien einen künstlichen Gegensatz zwischen Autofahrenden einerseits und ÖPNV, Rad oder Fußgänger/innen andererseits auf. Dieses Zerrbild stimmt schon lange nicht mehr. Die meisten Menschen nutzen unterschiedliche Verkehrsträger. Sie machen ihre Mobilitätsentscheidung davon abhängig, welches Verkehrsmittel am besten geeignet ist, ihr Ziel zu erreichen. Über 80% aller Autofahrer sind auch Radfahrer und umgekehrt. Hier muss das Ratsbündnis viel stärker ansetzen.“
Aus Sicht des DGB haben Rat und Verwaltung keine konkreten Vorstellungen darüber, wie viel und welcher Verkehr realistisch in den kommenden Jahren von der Straße auf ÖPNV oder Fahrrad verlagert werden können. Dies sei aber notwendig, um Maßnahmen wie die Reduzierung von Parkraum seriös und sozial zu planen. Andernfalls treibe die Ratsmehrheit Menschen, die auf ein Auto angewiesen sind, in die Arme einer Immobilienwirtschaft, die mit dem Bau und Betrieb von Quartiersgaragen schon auf ein neues, gewinnträchtiges Betätigungsfeld blicke.
Roßmann: „Wir brauchen keine Verbote oder massive Einschränkungen, sondern Anreize zum Umstieg! Um mehr Menschen zum Umstieg vom Auto auf Busse und Bahnen zu bewegen, ist eine Attraktivitäts- und Leistungssteigerung des ÖPNV unumgänglich: Die bekannten Zugangshürden für Job-Tickets müssen beseitigt werden; Es geht um eine bessere Taktung und um eine konsequentere Anbindung des Umlandes. Das gelingt nur, wenn mehr Zuschüsse in den ÖPNV fließen und zusätzliche Finanzierungsformen eingeführt werden. Wir brauchen neue Ideen und Anreize zum Umstieg, z.B. die Förderung von Job-Rädern. Und die Stadt muss endlich ihre Hausaufgaben machen, damit Fahrräder sicher abgestellt werden können. Was nützen die schönsten Radwege, wenn es an geschützten Fahrradstellplätzen fehlt – oder, wie am Bahnhof Deutz, die Planung und Umsetzung eher an einen Schildbürgerstreich erinnern.“
Diskussionen über eine massive Verteuerung/Begrenzung von Parkraum oder ein stadtweites Tempo 30 erwecken nach Auffassung des DGB den Eindruck, dass die Attraktivität des ÖPNV weniger durch Investitionen erhöht werden soll, sondern durch eine Verschlechterung der Bedingungen für den motorisierten Individualverkehr. „Damit kann man im ersten Jahr nach der Wahl die Kernwählerschaft bedienen, aber dauerhaft keine Wahlen gewinnen,“ so Roßmann.
V.i.S.d.P.: DGB Stadtverband Köln, Hans-Böckler-Platz 10, 50672 Köln, www.Koeln-Bonn.DGB.de
Ansprechpartner: Witich Roßmann, Jörg Mährle