DGB-Kreisverband Herford fordert mehr Anstrengung für Tarifbindung
Kommunalpolitik nimmt Kaufkraftverluste und Steuereinbußen in Kauf
Kreis Herford. Mit einer Briefaktion des DGB Kreisverbandes Herford wurden Ende 2023 Ratsfraktionen und deren Ratsmitglieder, sowie der Kreistag im Kreis Herford angeschrieben, um bessere Arbeitsbedingungen mit der Auftragsvergabe der öffentlichen Hand zu fördern. Das heißt konkret, dass Kommunen und der Kreis Herford dazu aufgefordert wurden, die örtlichen Vergaberichtlinien dahingehend zu verändern, zukünftige Aufträge nur noch an Unternehmen zu vergeben werden, die ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach geltendem Tarifrecht bezahlen.
Gut ein halbes Jahr später stellt der DGB-Kreisverband Herford ernüchtert fest: Außer der mündlichen Antworten der Bürgermeister der Städte Löhne und Herford, sowie einer schriftlichen Antwort vom Landrat Müller, die im Wesentlichen auf die derzeit geltende Vergabe- und Tariftreuerichtlinie des Landes NRW und auf die europäische Vergaberichtlinie verweisen, scheint das Thema Tariftreue in der Kommunalpolitik nicht als sinnvolles Instrument zur Förderung von guten Arbeitsbedingungen wahrgenommen zu werden. In den o.g. Richtlinien werden lediglich die Mindestarbeitsbedingungen und die Einhaltung des Mindestlohngesetzes geregelt. Auch das Gesprächsangebot, dass ein Austausch über das Anliegen des DGB-Kreisverbandes ermöglicht hätte, wurde von der Kommunalpolitik nicht in Anspruch genommen.
Mit der Novellierung des Tariftreue- und Vergabegesetzes NRW (TVgG NRW) im März 2018 wurde das Gesetz auf die (überwiegend bereits durch andere Normen geregelten) Themen Tariftreue und Mindestlohn reduziert. Die mit der Einführung des TVgG im April 2012 verbundenen Zielvorgaben zur generellen Beachtung von strategischen Beschaffungszielen, wie beispielsweise Umweltschutz, Frauenförderung und Energieeffizienz oder die Beachtung von Mindestanforderungen der Internationalen Arbeitsorganisation an die Arbeitsbedingungen im Herstellungsprozess sind damit entfallen.
Die Landesregierung begründete ihre Entscheidung der Streichung der verpflichtenden Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten in Vergabeverfahren damit, dass die Kommunen im Rahmen der vergaberechtlich geschaffenen Möglichkeiten weiterhin solche Kriterien zulässiger Weise anwenden können. Durch den Entfall der klaren und zentralen Vorgaben wird die grundsätzliche Entscheidung, ob im vorliegenden Beschaffungsvorgang Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt werden und wenn ja, in welcher Tiefe, wieder auf eine Ermessensentscheidung im Einzelfall reduziert.
Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften fordern weiterhin, dass öffentliche Aufträge künftig nur noch an Unternehmen vergeben werden sollten, die nach Tarif bezahlen. Und auch bei der Vergabe von Fördergeldern muss Tarifbindung ein zentrales Kriterium werden. Damit würden Dumpinglöhne verhindert und tarifgebundene Unternehmen gestärkt. „Gerade in Zeiten, in denen viele Menschen verunsichert sind und auch ökonomisch sorgenvoll in die Zukunft blicken, brauchen wir gute Löhne und gute Arbeitsbedingungen. Und das geht nur mit einer starken Tarifbindung“, schlussfolgert Friedel Böhse, DGB-Kreisverbandsvorsitzender.
Zudem reißen Tarifflucht und Lohndumping große Lücken im Kontext der Einkommenssteuer und der Sozialversicherungen. Berechnungen des DGB für das Jahr 2022 zeigen, es sind bei den Sozialversicherungen rund 8,7 Mrd. Euro und bei der Einkommenssteuer rund 5,4 Mrd. Euro in NRW. Und: wenn alle Beschäftigten in NRW tarifgebunden wären, würde die Kaufkraft der Bevölkerung um 12,3 Milliarden Euro steigen.
Mit der Kampagne #Tarifwende hat sich der DGB in den letzten Monaten für mehr Tarifbindung und ein Tariftreuegesetz in NRW stark gemacht. Inzwischen ist klar: Unsere Forderungen wurden gehört - Die Landesregierung arbeitet endlich an einem Tariftreuegesetz für NRW. Der Bedarf einer Veränderung hin zu mehr Tariftreue bei Vergaben wurde also erkannt. Umso wichtiger ist, dieses vor Ort aufzugreifen. Der DGB bleibt dran und wird den Prozess konstruktiv weiterbegleiten.