Mietenhöhe und Wohnungsbau: Endlich Weichen richtig stellen!

Neubaubilanz 2020 ist katastrophal | Mietenstopp einführen | Wohnungsbau massiv ausweiten | 70%-Quote beschließen | Keine Kenntnisprobleme sondern Umsetzungsprobleme

Datum

Ordnungsnummer PM 26

Dachzeile Mieterverein Köln und DGB Köln

„Die Kölner Baubilanz des vergangenen Jahres mit 2.000 neuen Wohneinheiten ist katastrophal. Die Stadt hat nicht einmal die Hälfte des dringend notwendigen jährlichen Neubauvolumens erreicht. Bund, Land und Stadt müssen endlich konsequenter handeln und die Weichen richtig stellen. Sonntagsreden und halbherzigen Maßnahmen sind keine Lösung für das Kölner Wohnraumproblem,“ finden Franz Corneth, Vorsitzender des Kölner Mietervereins, und Witich Roßmann, Vorsitzender des DGB Köln bei einer gemeinsamen Pressekonferenz von Mieterverein und DGB am 19.06.2021.

Der Ort der Pressekonferenz war bewusst gewählt: Der Deutzer Hafen. Hier entsteht, direkt am Rhein und mit Blick auf den Dom, in den kommenden Jahren ein neues Stadtviertel. Das ist eigentlich ein Grund zur Freude, denn die geplanten 3.000 Wohnungen, davon 30% als Sozialwohnungen, werden dringend benötigt. Mieterverein und DGB sehen die bisherige Entwicklung aber kritisch.

Witich Roßmann: „In Köln wird mehr über die Schwimmnutzung der Wasserfläche und Gestaltung diskutiert als über die Frage, wie auf dem Areal ausreichend bezahlbarer Wohnraum für Pflegekräfte, Supermarktkassierer, Auszubildende, Studierende, Polizistinnen oder Feuerwehrleute entsteht. Das ist ein fatales Signal in die Stadtgesellschaft, weil der Eindruck entstehen kann, dass ‚die da oben‘ die Sorgen und Nöte vieler Menschen nicht ernst nehmen. Außerdem zementiert es die Befürchtung, dass sich zum großen Teil wieder nur Besserverdienende und Reiche am Deutzer Hafen eine Wohnung mit Domblick leisten können.

Die vom Rat beschlossene 30%-Quote für Sozialwohnungen ist zu gering! DGB und Mieterverein haben deshalb schon Ende 2016 gefordert, neben der Quote von 30% Sozialwohnungen weitere 40% mit einer geöffneten Sozialbindung – also Kostenmiete zuzüglich maximal 10% Aufschlag – zu bauen. Damit ist gesichert, dass 70% des Wohnraums für Kölner/innen mit niedrigen und normalen Einkünften erschwinglich ist, also für die große Mehrheit der Menschen in unserer Stadt. Die Stadt entscheidet mit der Vergabe der kommunalen Flächen auch darüber, w e r in der Stadt wohnen kann und wer aus der Stadt verdrängt wird! Und die Stadt muss ihren Einfluss durch die Anwendung des Erbbaurechts wahren.

Rat und Verwaltung müssen jetzt Farbe bekennen! Vergeben sie die Grundstücke an die schon in den Startlöchern stehenden Entwicklungsgesellschaften, die nur an einer maximalen Rendite interessiert sind und hochpreisigen Wohnraum erstellen wollen. Wir fordern klar und eindeutig: Vorrang müssen öffentlich-rechtliche, gemeinnützige oder genossenschaftliche Investoren bekommen, die bezahlbaren Wohnraum in unserer Stadt schaffen.  

Wir brauchen das 70%-Ziel aber auch noch aus einem weiteren Grund. Die ständig steigenden Mieten und Mietnebenkosten sorgen dafür, dass Beschäftigte einen immer größeren Teil ihres Lohns für Wohnen ausgeben müssen. Fast jeder zweite Kölner Haushalt hat mittlerweile eine Mietbelastungsquote von über 30%. Das trifft Beschäftigte im einfachen und mittleren Dienst bei Polizei oder Kommune. Es trifft Rechtsanwaltsfachangestellte und Büroangestellte aus vielen weiteren Branchen. Und es trifft Honorarkräfte der Stadt, die unseren Kindern das Musizieren beibringen. Das, was eigentlich eine Ausnahme sein sollte, ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Knapp 25% der Kölner Haushalte müssen sogar über 40% ihres verfügbaren Einkommens für ihre Wohnung ausgeben. Wir sprechen hier von Reinigungskräften, von Frisören/innen, von Beschäftigten aus Gastronomie, Handel, Logistik oder Pflege, die den gesetzlichen Mindestlohn oder knapp darüber verdienen. Und wir sprechen von soloselbständigen Paketboten oder handwerklichen Subunternehmern, die nach Abzug aller Kosten nicht einmal den Mindestlohn verdienen. Schuften für die Miete ist mittlerweile für jeden vierten Haushalt bittere Realität. Da bleibt nicht mehr viel Geld übrig für eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft, für Kino-, Konzert- oder Zoobesuch mit den Kindern, für den Austausch einer defekten Waschmaschine oder das Jahres-Abo einer Kölner Tageszeitung.  

In den letzten 5 Jahren sind die Angebotsmieten nach Zahlen der empirica Preisdatenbank auf Basis der VALUE Marktdaten im Durchschnitt um 22% gestiegen. Dieser immense Anstieg frisst selbst die besten Tarifergebnisse auf. Dabei können alle Beschäftigten noch glücklich sein, die unter den Schutz eines Tarifvertrages fallen. Vollzeitbeschäftigte in tarifgebundenen Betrieben verdienen im Durchschnitt 11% mehr als Beschäftigte in vergleichbaren Betrieben ohne Tarifbindung und können damit Mietsteigerungen besser verkraften.

Das sind die Rahmenbedingungen, die Rat und Verwaltung bei ihrer Entscheidung über die Grundstücksvergaben berücksichtigen müssen. Wir haben keine Kenntnisprobleme sondern Umsetzungsprobleme. Rat und Verwaltung müssen die Weichen endlich richtig stellen. Nur wenn in den kommenden Jahren beim Neubau ein klarer Schwerpunkt auf bezahlbaren Wohnraum gelegt wird, setzt das steigenden Mieten, der Immobilienspekulation und der weiteren Umverteilung zugunsten von Immobilienbesitzern und Immobilienfonds Schranken.

Unser Quotenmodell ist dazu eine geeignete Maßnahme – nicht nur beim Deutzer Hafen, sondern bei allen größeren Neubauprojekten, bei denen kommunale Flächen genutzt werden.

Und abschließend noch ein Hinweis zu den geplanten 6.000 Arbeitsplätzen, die im Deutzer Hafen neu entstehen sollen: Wir freuen uns grundsätzlich über neue Arbeitsplätze. Bisher habe ich aber noch nicht wahrgenommen, dass sich die Verantwortlichen der Stadt über die Qualität der Arbeitsplätze großartig Gedanken gemacht haben. Ich sehe vielmehr die Haltung, dass der Markt schon interessierte Unternehmen anlocken wird. Das kann man so machen, darf sich dann aber nicht wundern, wenn Logistikstation für Fahrradkurierdienste, private Postdienstleister oder E-Scooter-Anbieter dort entstehen, die mit ihren Mitarbeiter/innen häufig eher schäbig umgehen. Deswegen muss die Stadt auch bei der Auswahl der Investoren für die Gewerbeimmobilien steuernd Einfluss nehmen und darf die Grundstücke nicht an die Meistbietenden vergeben.“

Franz-Xaver Corneth: „So kann es einfach nicht weitergehen. Köln darf keine Insel der Besserverdienenden werden! Die Stadt ist so stolz auf ihre bunte Mischung. Dafür muss aber auch etwas getan werden, dass diese Mischung erhalten bleibt. Damit sich die Kölner*innen auch weiter ihre Stadt leisten können, unterstützen wir die bundesweite Aktion Mietenstopp!

Alle in den letzten Jahren beschlossenen Reformen zur ortsüblichen Vergleichsmiete, Mietpreisbremse oder Mieterhöhungsbegrenzungen nach energetischen Modernisierungen zeigen nicht die gewünschte Wirkung. Selbst während der CORONA-Pandemie drehte sich die Mietpreisspirale erbarmungslos nach oben. Vielmehr erwiesen sich die Maßnahmen als halbherzig und verhindern insbesondere nicht den Anstieg der Wiedervermietungsmieten. Deshalb ist ein bundesweiter Mietenstopp erforderlich. Die Mieten müssen somit für die nächsten sechs Jahre eingefroren werden. Das gilt auch für Staffel- und Indexmietverträge. Eine Ausnahme von diesem Mietenstopp soll nur gelten, wenn der Vermieter bisher eine Miete gefordert hat, die weniger als 80% der ortsüblichen Vergleichsmiete beträgt. Hier können Mieterhöhungen von jährlich 2% bis zum 80-Prozent-Oberwert des Mietspiegels zulässig sein. Auch nach einem Mieterwechsel braucht es für Wiedervermietungen einen Mietenstopp und die Einhaltung strikter Oberwerte. Sollten Mietpreisüberhöhungen aus früheren Vereinbarungen vorliegen, so soll eine Mietenkappung gemäß reformiertem Wirtschaftsstrafgesetz (§ 5 WiStG) erfolgen.

All die Pläne, die für Köln existieren müssen zudem endlich in die Tat umgesetzt werden. Es bedarf einer Bauoffensive! Die jährlich erforderlichen 6.000 Wohnungen wurden wiederholt nicht erreicht. Stattdessen im letzten Jahr sogar nur 2.000 Wohnungen. Das ist nicht nur ein Drittel der angestrebten Zahl, sondern sogar Negativrekord!

Kreuzfeld im Kölner Norden, wo 6.000 Kölner*innen eine Heimat finden sollen, spinnen schon seit geraumer Zeit in den Köpfen herum. Unsere Oberbürgermeisterin ließ sich anlässlich der Kommunalwahl dort auch werbewirksam mit Minister Jens Spahn und der Grünen Politikerin Katrin Göring-Eckardt ablichten. Mit schönen Bildern ist es nicht getan. Hier muss es endlich zum ersten Spatenstich kommen, sonst werden dort in diesem Jahrzehnt immer noch keine Menschen wohnen.

Beim öffentlich geförderten Wohnraum zeigt sich das gleiche Bild. Auch hier hinkt Köln den sich selbst gesetzten Zielen meilenweit hinterher. Die Zielvorgabe lautet 1.000 neue Wohnungen, die mit öffentlichen Mitteln errichtet werden. Aber auch diese Zahl wurde in den letzten Jahren nicht erreicht. Mittlerweile sind sogar nur noch 6,8% aller Wohnungen in Köln mit öffentlichen Mitteln gefördert, obwohl fast die Hälfte der Kölner Bevölkerung einen Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein besitzt.

All diese Zahlen sind alarmierend. Insbesondere wenn man sich die Prognosen bezüglich der Kölner Bevölkerungszahl einmal anschaut. Selbst die vorsichtigste Prognose geht von mindestens 60.000 Menschen mehr bis 2040 aus. Eine andere Prognose sogar von mehr als 100.000 Menschen. Diese Menschen benötigen ein Dach über dem Kopf. Die soziale Frage steht somit auf dem Spiel. Köln benötigt eine Politik, die den Wohnungsbau in den Fokus rückt.“

DGB-Stadtverband Köln
Mieterverein Köln

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