Die folgenden Zitate und Gegenpositionen wurden auch als Argumentationskarten zum Download veröffentlicht.
Im April veröffentlichten wir eine erste Box mit Argumentationskarten gegen Rechtspopulisten. Inzwischen hat der Landesparteitag der sogenannten Alternative für Deutschland in Nordrhein-Westfalen stattgefunden. In dem dort verabschiedeten Leitantrag finden sich zahlreiche Aussagen, die wir nicht unkommentiert lassen wollten. Und noch einen Grund gibt es für eine überarbeitete Fassung: Im Bundesprogramm, den Landesprogrammen, Medien und sozialen Netzwerken gibt es so viele haarsträubende Zitate von AfD-Politikern, dass wir uns entschieden haben, uns in unseren Argumentationskarten auf eine Auseinandersetzung mit dieser einen Partei zu beschränken und andere rechtspopulistische Bewegungen außen vor zu lassen.
Wir stellen den Positionen und Forderungen der Rechtspopulisten gewerkschaftliche Positionen und Argumente entgegen.
"Der Skandal um den ehemaligen VW Betriebsrat jedoch zeigt auf, dass Betriebsräte, statt die Interessen der Belegschaft verantwortlich und nachhaltig zu vertreten, mehr am eigenen Machterhalt interessiert sind und eher den Arbeitgebern zugeneigt sind [. . .]."
Arbeitnehmer in der AfD: Arbeitspapier 2016, S. 4 (abgerufen am 26. Juli 2016)
"Jede Regelbefolgung verursacht Kosten [. . .]. Wir wollen daher deutliche Vereinfachungen zum Beispiel [. . .] bei betrieblichen Sicherheitsbestimmungen oder auch beim Mindestlohn."
GP, S. 69
Rechtspopulisten geben gerne vor, die "kleinen Leute" zu repräsentieren und sich für eine Verbesserung der Lebensumstände von Beschäftigten einzusetzen. Doch sozialpolitische und arbeitsrechtliche Forderungen sind innerhalb der AfD kaum zu vernehmen. Wenn sie überhaupt Erwähnung finden, werden Arbeitnehmerrechte als bürokratische Hindernisse dargestellt. Dies zeigt den starken Einfluss, den ein neoliberaler Wirtschaftsflügel seit Gründung der AfD auf die Partei ausübt.
Das Thema betriebliche Mitbestimmung kommt in den Wahlprogrammen der AfD überhaupt nicht vor. Die Interessengemeinschaft "Arbeitnehmer in der AfD" (AidA) unterstellt sogar pauschal allen Betriebsräten, dass diese sich nicht in erster Linie für die Interessen der Beschäftigten einsetzten, sondern auf Seiten der Arbeitgeber stünden. Darüber hinaus fordert AidA, dass Betriebsräte "unabhängiger von gewerkschaftlichen Einflüssen" werden (Arbeitspapier, S. 5).
Wir sehen das anders. Es gehört zum Kerngeschäft von Gewerkschaften, die Gründung von Betriebsräten zu unterstützen. Wir stärken Betriebsräte und Vertrauensleute. Denn ohne Gewerkschaften gibt es auch keine starken Betriebsräte. Betriebsräte sind es, die direkt am Arbeitsplatz Arbeitnehmerrechte verteidigen. Durch den Ausbau betrieblicher Mitbestimmung können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihren Arbeitsalltag demokratisch mitgestalten. Arbeitsschutz-Bestimmungen oder der Mindestlohn dürfen nicht als reine Kostenfaktoren gesehen werden. Sie ermöglichen erst gute Arbeitsbedingungen.
"Die AfD will die Abschaffung der Vermögenssteuer. [. . .] Sie träfe alle mit einem Vermögen von mehr als 75.000 Euro."
Leitantrag zum Parteitag der AfD NRW, These 0403
Der DGB spricht sich klar für die Wiedereinführung der Vermögenssteuer aus. Sie ist sowohl eine Frage der Gerechtigkeit als auch der wirtschaftlichen Vernunft.
In kaum einer anderen entwickelten Volkswirtschaft ist der Reichtum so ungleich verteilt wie in Deutschland. Der DGBVerteilungsbericht 2016 zeigt: Die reichsten 10 Prozent der Bevölkerung verfügen über 57,5 Prozent des Gesamt-Netto-Vermögens, allein das wohlhabendste 1 Prozent besitzt 24 Prozent. Am anderen Pol der Vermögensverteilung haben 70 Prozent der Bevölkerung zusammen gerade einmal 9 Prozent. Dabei ist die Quelle des Reichtums in den wenigsten Fällen die eigene Arbeit, sondern angehäuftes oder ererbtes Kapitalvermögen. Gleichzeitig sind Menschen, die Tag für Tag hart arbeiten, häufig arm. 15,5 Prozent der Beschäftigten müssen derzeit als einkommensarm bezeichnet werden. Die AfD lehnt es ab, diese Ungerechtigkeit durch eine faire Besteuerung abzufedern. Damit fällt ihr propagiertes Image als Partei der "kleinen Leute", die gegen "die da oben" vorgeht, wie ein Kartenhaus in sich zusammen.
Die Vermögenssteuer würde zudem zu einer solideren finanziellen Ausstattung des Staates und damit besseren Lebensbedingungen für alle Bürger führen. Denn während bei einigen wenigen Privatleuten die Kasse klingelt, sitzen Bund, Länder und vor allem Gemeinden auf einem immer höheren Schuldenberg. Gesellschaftlich notwendige Investitionen in Kinderbetreuung, Bildung, Pflege, Sicherheit oder Verkehrsinfrastruktur bleiben aus Kostengründen aus. Die steigenden öffentlichen Investitionen würden außerdem dafür sorgen, dass mehr Beschäftigung entsteht.
Die AfD setzt falsche Zahlen in die Welt, wenn sie behauptet, die Vermögenssteuer würde ab 75.000 Euro greifen. Ein gängiger Vorschlag ist ein Freibetrag von zwei Millionen Euro! Nur die Superreichen müssten also zahlen und dann auch lediglich 1 Prozent.
"Aus Sicht der AfD gibt es keinen effizienteren Koordinierungsmechanismus als den Markt."
Leitantrag zum Parteitag der AfD NRW, These 1056
"Deshalb gilt für die AfD: Je mehr Wettbewerb und je geringer die Staatsquote, desto besser für alle."
GP, S. 67 f.
"Wir wollen auf breiter Front deregulieren und Bürokratie abbauen."
ebd., S. 67 f.
Die AfD spricht in ihrem Bundes- und NRW-Programm zwar von der sozialen Marktwirtschaft als "Garant für wirtschaftlichen Fortschritt und gesellschaftlichen Wohlstand" (Leitantrag zum Parteitag der AfD NRW, These 1056). Im gleichen Atemzug stellt sie allerdings klar, dass das Soziale für sie keineswegs von großer Bedeutung ist. Die Selbstregulierungskräfte des Marktes haben für die AfD stattdessen höchste Priorität, obwohl besonders die Bankenkrise gezeigt hat, dass eine Selbstregulierung nicht funktioniert. Von einer besseren Umverteilung hält die AfD
nichts und stellt sich gegen eine fairere Besteuerung der Reichen (vgl. Karte Nr. 2).
Für den DGB und seine Gewerkschaften ist klar: Unser Ziel ist eine lebenswerte und solidarische Gesellschaft. Diese ergibt sich nicht aus dem Selbstlauf des Marktes, in dem jeder nur für sich selber verantwortlich ist. So heißt es im DGB-Grundsatzprogramm: "Wir setzen sowohl auf marktwirtschaftliche Steuerung wie auf Intervention durch den aktiv handelnden Sozialstaat." Damit alle Menschen in Deutschland gut leben können, brauchen wir eine solide finanzielle Ausstattung des Staates. Alle, die täglich zur Arbeit müssen, brauchen intakte Straßen und einen guten Nahverkehr. Kinder brauchen gut ausgestattete Kitas und Schulen. Und für die notwendige Erholung sind öffentliche Schwimmbäder, Zoos oder Theater unabdingbar. Der Staat muss all das zugunsten der Bürgerinnen und Bürger leisten können. Das funktioniert nur über ein Steuersystem, das ungerechte Marktergebnisse korrigiert, sprich: die Starken stärker in die Verantwortung nimmt als die Schwachen. Zu einem guten Leben gehört für uns auch ein funktionierendes soziales Netz: Wird ein Arbeitnehmer krank, profitiert er von einer soliden Krankenversicherung und im Alter von der gesetzlichen Rentenversicherung. Und auch wer in soziale Not gerät, muss von einem stabilen sozialen Netz aufgefangen werden. Auch das funktioniert nur mit einem handlungsfähigen Staat, der über Gesetze und Steuern regulierend in den Markt eingreift.
"Wir fordern, das Experiment EURO geordnet zu beenden."
GP, S. 18
Auf die Frage, ob sie lächelte, nachdem sie erfahren hatte, dass die Mehrheitder Briten für ein Verlassen der Europäischen Union stimmten:
"Oh nein, ich habe auch geweint – aber vor Freude."
Beatrix von Storch im Phoenix-Interview am 24. Juni 2016 (abgerufen am 26. Juli 2016)
Marcus Pretzell ist Vorsitzender der AfD Nordrhein-Westfalen und Mitglied im Europäischen Parlament. Beatrix von Storch ist stellvertretende Bundessprecherin der AfD und Mitglied im Europäischen Parlament.
Die AfD fordert die Abschaffung des Euro. Außerdem ist sie für die "Auflösung der Europäischen Union", wenn von ihr gewünschte Reformen nicht realisiert werden (GP, S. 16). Die Entscheidung für einen Ausstieg Großbritanniens aus der EU wurde entsprechend von vielen Stimmen in der AfD begrüßt und es folgte die Forderung, einen "Dexit" – also einen Ausstieg Deutschlands – folgen zu lassen. Dabei vergisst die AfD, dass besonders Deutschland von der EU und der gemeinsamen Währungsunion profitiert (Bertelsmann Stiftung).
Trotz der Ablehnung der EU sind AfD-Mitglieder Abgeordnete im Europäischen Parlament und beziehen entsprechend Gelder von der EU. Zu den AfD-Abgeordneten gehören Beatrix von Storch und Marcus Pretzell. Nach ihren Äußerungen zum Einsatz von Schusswaffen gegen Flüchtlinge schloss die Fraktion der "Europäischen Konservativen und Reformer" Pretzell aus. Solch menschenfeindliche Äußerungen gingen selbst dieser rechtspopulistischen Fraktion zu weit. Von Storch folgte freiwillig. Beide schlossen sich daraufhin unterschiedlichen Fraktionen an, die noch weiter rechts stehen und Parteien wie dem Front National und der Freiheitlichen Partei Österreichs eine Heimat bieten.
Die EU ist aus Sicht der Gewerkschaften eine Wertegemeinschaft für Menschenrechte, die sich auch international für friedliche Entwicklungen einsetzen soll. Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit sind europäische Ideale, die die Gewerkschaften teilen. Wir wollen, dass die EU auch künftig Frieden und Wohlstand in Europa garantiert. Als große Friedensbewegung haben wir Gewerkschaften eine besondere Verantwortung, für die europäische Idee einzutreten.
"Ich sage diesen linken Gesinnungsterroristen, diesem Parteifilz ganz klar: Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet, dann wird wieder Politik für das Volk und nur für das Volk gemacht – denn wir sind das Volk, liebe Freunde."
Markus Frohnmaier auf einer Demonstration in Erfurt, zitiert n. Deutschlandfunk, 29. Oktober 2015 (abgerufen am 19. Juli 2016)
Markus Frohnmaier ist im Landesvorstand der AfD Baden-Württemberg, Bundesvorsitzender der Jungen Alternative für Deutschland und im Presseteam von Frauke Petry, Sprecherin des Bundesvorstands der AfD. Frohnmaier gehört dem nationalistischen Flügel der AfD an.
Diese Aussage des Vorsitzenden der Jungen Alternative lässt sich als Aufruf für einen radikalen Umsturz verstehen. Dabei droht er Andersdenkenden ("Gesinnungsterroristen") und gewählten Volksvertretern ("Parteifilz") offen. Seine Wortwahl erinnert an den Sprachgebrauch von totalitären Systemen.
Dazu passt auch der zweite Gedanke in Frohnmaiers Zitat: Rechtspopulisten stilisieren sich gerne zum alleinigen Vertreter eines angeblich homogenen "Volkes", das ansonsten keine Stimme hätte. Dabei ist diese Theorie in mehrerer Hinsicht unsinnig:
Die Gewerkschaften sehen die Welt anders: Wir gehen nicht von einem homogenen "Volk" aus, das einen einzigen Willen hat, sondern von einer bunten, heterogenen Gesellschaft. In unserer Demokratie gibt es für alle diese unterschiedlichen Interessen und Positionen Platz. So kämpfen beispielsweise der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften für die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Arbeitgeberverbände versuchen dagegen, Interessen der Arbeitgeber durchzusetzen. Auch Parteien verfolgen unterschiedliche Inhalte, haben unterschiedliche Ausrichtungen, Werte und Schwerpunkte. Am Ende geht es meist darum, einen guten Kompromiss zu finden. Das gilt für Tarifverhandlungen ebenso wie für politische Prozesse.
"Als 'Partei des gesunden Menschenverstandes' setzen wir auf das politische Urteilsvermögen und die Verantwortungsbereitschaft der mündigen Bürger."
GP, S. 10
"Wir wollen weg vom links-rot-grün-versifften 68er-Deutschland und hin zu einem friedlichen, wehrhaften Nationalstaat."
Jörg Meuthen, Bundessprecher der AfD und Gründer der Fraktion Alternative für Baden-Württember, Phoenix-Aufzeichnung des AfD-Parteitags in Stuttgart am 30. April 2016 (abgerufen am 27. Juli 2016)
Facebook-Kommentar unter einem Foto, das Mitglieder der Jungen Liberalen bei einem Protest gegen Frauke Petry zeigt, an dem eine blonde Frau teilnimmt:
„naja, der blonden würde ich auf jeden fall den übelsten hatefuck verpassen. sowas erlebt die bei ihren bebrillten linksliberalen hipster freunden in hundert jahren nicht.“
Maximilian Kneller, ehemaliger Vorsitzender der Jungen Alternative NRW, gemäß eines Artikels auf ruhrbarone.de vom 8. September 2015 (abgerufen am 27. Juli 2016), der Original-Kommentar wurde zwischenzeitlich gelöscht
Die AfD sieht sich als alleinige "Partei des gesunden Menschenverstandes". Dies bedeutet im Umkehrschluss, andere Parteien und Andersdenkende verfügen über keinen "gesunden" Verstand. Entsprechend haben nur Ansichten der AfD einen Wert.
Menschen, die für andere Meinungen einstehen, werden beschimpft oder ihnen wird Gewalt angedroht. So sind respektlose und hasserfüllte Äußerungen häufig bei AfD-Funktionären und Anhängern zu beobachten – auch gegen Gewerkschaften. Gemäß ihrer Annahme, die einzige "Partei des gesunden Menschenverstandes" zu sein, haben sie kein Interesse daran, Kompromisse auszuhandeln. Dabei ist genau das Grundlage einer Demokratie: Unterschiedliche Vorschläge zur Gestaltung unserer Gesellschaft müssen offen und respektvoll diskutiert werden. Am Ende dieser Diskussion wird in der Regel dann nicht eine Position zu 100 Prozent durchgesetzt, sondern ein Kompromiss gefunden, mit dem möglichst viele Menschen leben können.
Deshalb stehen wir Gewerkschaften für eine offene und tolerante Gesellschaft ein, in der jeder Mensch über eine unantastbare Würde verfügt und seine Ansichten im Rahmen des Grundgesetzes darlegen kann. Ob im Betrieb oder in der Politik: Wir setzen uns mit Andersdenkenden an einen Tisch und handeln Kompromisse aus. Zur Lösung von gesellschaftlichen Problemen setzen wir auf Solidarität, statt Konfrontation.
"Deutschland gehört zu den großen europäischen Kulturnationen [. . .]. Sie [die Kultur] kann nicht dem freien Spiel der Kräfte ausgesetzt werden. Vielmehr soll ein Bewusstsein gestärkt werden, welches kulturelle Verbundenheit wahrnimmt, fördert und schützt."
GP, S. 46
"Es [das Menschenbild der AfD] gründet sich auf humanistisch-abendländische Normen und Werte."
Leitantrag zum Parteitag der AfD NRW, These 0101
Die AfD macht sich nach eigenen Angaben für den Erhalt der "Kulturnation" Deutschland und die abendländisch-humanistischen Werte stark. Allerdings ist ihr Verständnis von Kultur und Werten ziemlich kurz gegriffen. Denn dazu gehört sicherlich nicht lediglich der Verweis auf die alten Dichter und Denker, die Religion und die Sprache. Auch der Umgang miteinander und der Grad an Zivilisation machen Kultur und Werte eines Landes aus. Für die AfD spielt das keine Rolle: Gerade in sozialen Netzwerken im Internet verhält sich die Führung der AfD alles andere als zivilisiert.
Ein Beispiel: Das Attentat von München, bei dem David S. neun Menschen erschoss, missbrauchte die AfD, um ihre Kritik an Angela Merkels Flüchtlingspolitik zu rechtfertigen. So twitterte die AfD Sachsen:
Der Terror ist wieder zurück! Wann macht Frau Merkel endlich die Grenzen dicht! https://t.co/NCmGUSR70L
— AfD-Sachsen aktuell (@AfD_Sachsen_ASA) 22. Juli 2016
Der AfD-Chef von Sachsen-Anhalt, André Poggenburg, hatte auch gleich die Verantwortlichen parat:
Merkel-Einheitspartei: danke für den Terror in Deutschland und Europa!
— André Poggenburg (@PoggenburgAndre) 22. Juli 2016
Ausländische Presse berichtet lange von Islamterror in München. Deutsche verblendete GutmenschInnen geifern aber herum. Ihr habt Mitschuld!
— André Poggenburg (@PoggenburgAndre) 22. Juli 2016
#AfD München: Unser Mitgefühl den Hinterbliebenen und Verletzten, unser Abscheu den Merklern und Linksidioten die Mitverantwortung tragen!
— André Poggenburg (@PoggenburgAndre) 23. Juli 2016
Und Parteichefin Frauke Petry wusste sofort, was zu tun ist: #afdwählen. Die eigene Rechthaberei wichtiger zu finden als den Respekt vor den Opfern und Angehörigen, ist kulturlos.
Noch kulturloser ist es allerdings, wenn sich die befeuerten Gerüchte als falsch erweisen. Denn es stellte sich heraus, dass es sich bei dem Attentäter von München weder um einen Flüchtling noch um einen Islamisten handelte. Vielmehr fühlte sich der Täter dem rechtsextremen, norwegischen Attentäter Anders Breivik und der AfD verbunden.
Für die AfD war diese Erkenntnis kein Anlass, um sich für ihre Vorverurteilungen zu entschuldigen. Kultur und Werte scheint es dort lediglich auf dem Papier zu geben.
"Sie finden bei uns Menschen […], die erkennen, dass die Blockparteien, wie sie heute im Bundestag präsent sind, in eine Richtung spazieren; dass es keine Unterschiede mehr gibt, und dass ihnen eine einzige Zielrichtung gemein sind: nämlich das Volk zu bevormunden und nach ihrem Willen zu regieren, ohne den Bürger, ohne Sie zu fragen."
Armin-Paul Hampel, Rede in Hamburg am 18. August 2013 (abgerufen am 19. Juli 2016)
Armin-Paul Hampel war Journalist des MDR und arbeitete u.a. als ARD-Korrespondent in Berlin. Er wurde 2013 zum Landesvorsitzenden der AfD Niedersachsen gewählt. Seit 2015 ist er Beisitzer im Bundesvorstand der AfD.
"Die politische Klasse [. . .] hat das Wahlrecht [. . .] immer trickreicher ausgenutzt und angepasst, um den Einfluss des Volkes zu minimieren."
GP, S.12
Die Bezeichnung "Altparteien" oder "Blockparteien" wird von rechtspopulistischen Gruppen gerne dafür genutzt, um alle in den Parlamenten vertretenen Parteien zu diffamieren. Armin-Paul Hampel behauptet, alle Parteien seien inhaltlich gleich ausgerichtet und hätten nur ein Ziel: Den Willen der Bürger zu ignorieren und über die Köpfe hinweg zu regieren.
Dieser Gegensatz zwischen "dem Volk" und "der Politik" besteht in der Realität nicht: In unserer repräsentativen Demokratie werden Parlamentsabgeordnete nicht einfach von oben benannt, sondern von den Bürgerinnen und Bürgern frei gewählt. Sie repräsentieren die Bevölkerung und setzen den Willen der Wählerinnen und Wähler um. Wenn die Bürger mit ihnen nicht zufrieden sind, können sie ihre Abgeordneten bei der nächsten Wahl abwählen. Darüber hinaus steht es jedem Einzelnen von uns frei, sich selbst politisch zu engagieren und die politischen Verhältnisse so mitzugestalten.
Einen Konsens gibt es zwischen demokratischen Parteien allerdings schon: Sie bewegen sich innerhalb des Grundgesetzes und halten sich an die dort niedergeschriebenen Werte. Das fällt vielen Rechtspopulisten schwer zu akzeptieren: Obwohl sie selbst alles andere als Verteidiger demokratischer Werte sind, beklagen sie schnell eine Beschneidung ihrer Meinungsfreiheit, wenn radikale Äußerungen auf Gegenwind stoßen. Dabei ist vollkommen klar: Beschimpfungen, Verleumdungen und Volksverhetzung lassen sich nicht mit Meinungsfreiheit rechtfertigen. Sie endet laut Verfassung dort, wo die Würde des Einzelnen verletzt wird. Und das zu Recht. Wird der Rahmen unserer Verfassung eingehalten, gibt es in Deutschland aber weder Zensur noch Meinungsverbote.
"Wir wollen [. . .] dem Recht wieder zur Durchsetzung verhelfen. [. . .] Vor einem Staat, der das Recht mit Füßen tritt, sind auch die Bürger nicht sicher."
GP: S. 24
"Unser Rechtssystem wird immer weiter aufgeweicht."
Leitantrag zum Parteitag der AfD NRW, These 0303
Basis der Argumentation der AfD ist eine umfassende Verschwörungstheorie. Sie vermittelt den Eindruck, in Deutschland herrsche die Willkür eines Staats, "der das Recht mit Füßen tritt". So schafft sie eine Stimmung der Angst und Empörung. Sich selbst positioniert die AfD als alleinige Heilsbringerin, die die Situation verbessern kann.
Diese Rhetorik ignoriert die Realität. Deutschland gehört zu den stabilsten Demokratien weltweit. Regelmäßig finden freie und geheime Wahlen statt, bei denen die Stimme jedes Bürgers und jeder Bürgerin gleich viel zählt. Unser Rechtsstaat gehört zu den zehn stärksten weltweit (World Justice Project 2015). Es ist also eine Lüge, dass "unser Rechtssystem immer weiter aufgeweicht wird".
Die Alternative, die die AfD propagiert, ist zudem keine: Wie wir auf unseren Argumentationskarten zeigen, bestimmen Ausgrenzung und Demokratiefeindlichkeit ihr Gesellschaftsbild und Hass und Hetze ihre Rhetorik. Dass die Partei sich als Verteidigerin der "Rechte der Bürger" verkauft, ist absolut unglaubwürdig.
"Die etablierten Parteien und die mehrheitlich freiwillig gleichgeschalteten Medien jedoch bemühen sich nach Kräften im Verschweigen, Verharmlosen und Manipulieren."
Landtagswahlprogramm 2016 der AfD Baden-Württemberg, S.18
"Die von vielen so genannte 'Lügenpresse' hat sich ihren Namen nicht selten redlich verdient. An Stelle objektiver Berichterstattung propagiert sie eine fatale Willkommenskultur."
Reden von Alexander Gauland in Magdeburg und Björn Höcke in Cottbus und Erfurt am 18. November 2015: Fünf Grundsätze für Deutschland (abgerufen am 10. August 2016)
"Pinocchio-Presse"
Frauke Petry, Bundessprecherin der AfD, bei diversen Reden und Veranstaltungen, z.B. am 28. November 2015 beim AfD-Parteitag in Hannover
Die AfD unterstellt den Medien eine bewusst einseitige Meinungsbildung, die Fakten ausblende oder manipuliere. Frauke Petry beschimpft die Medien deshalb mit dem Namen der Kinderbuchfigur Pinocchio, der aufgrund der häufigen Lügen die Nase wächst. Die sogenannte „Lügenpresse“ sei gleichgeschaltet und berichte in einem festgelegten Meinungskorridor.
Dabei kann von einer Gleichschaltung der Medien in Deutschland keine Rede sein. Im Gegenteil: Nur in sehr wenigen Ländern der Welt sind Presse und Rundfunk so frei wie bei uns. Das liegt vor allem an der Struktur unserer Medienlandschaft: Während es in vielen Ländern mächtige Medienmogule gibt, die mit ihren Unternehmen praktisch den ganzen Zeitungsmarkt beherrschen und dadurch die öffentliche Meinung entscheidend beeinflussen können, ist bei uns die Macht auf mehrere große Verlage verteilt. Der Leser kann so zwischen sehr unterschiedlichen, konkurrierenden Blättern wählen, wie z.B. der Süddeutschen Zeitung, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der taz oder der BILD. Auch wenn es ein klares Links-Rechts-Schema auf dem Zeitungsmarkt nicht mehr gibt, berichten sie doch alle aus einer anderen Grundhaltung heraus. Da es sich bei den Verlagen um privatwirtschaftliche Unternehmen handelt, sind sie absolut unabhängig von Regierung und Parteien. Ergänzt wird das Medienangebot in Deutschland von den öffentlich-rechtlichen und privaten Radio- und Fernsehsendern und zahlreichen journalistischen Online-Angeboten (vgl. Karte Nr. 11). In kaum einem Land der Welt kann man sich daher aus so vielen unterschiedlichen und voneinander unabhängigen journalistischen Quellen informieren wie in Deutschland.
Wichtig zu wissen ist auch, wie Journalisten in Deutschland arbeiten. Die AfD unterstellt gern, dass diese bewusst die Wahrheit verdrehen. Dabei berichten Journalisten nicht willkürlich, sondern unterliegen festen Regeln. Diese sind z.B. im Pressekodex festgeschrieben und umfassen u.a. die Wahrhaftigkeit der Berichterstattung, die Sorgfaltspflicht bei der Recherche, die Achtung der Menschenwürde, die Trennung von Werbung und Redaktion sowie die Pflicht zur Richtigstellung.
Übrigens: Frauke Petry schimpft gerne auf die sogenannte Pinocchio-Presse, dabei hat sie selbst die längste Nase. Eine Erhebung von Kölner Journalistenschülern hat gezeigt: Mehr als ein Viertel der von Frauke Petry in politischen Talkshows gemachten Tatsachenbehauptungen waren falsch oder überwiegend falsch.
"Die Zwangsbeiträge für die Grundversorgung [des öffentlich-rechtlichen Rundfunks] sollen abgeschafft werden."
Leitantrag zum Parteitag der AfD NRW, These 0402
Mit ihrer Forderung, den Rundfunkbeitrag aufzuheben, macht sich die AfD de facto für die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks stark. Denn allein die Rundfunkbeiträge sorgen dafür, dass die öffentlich-rechtlichen Sender nicht wirtschaftlichen Zwängen und Interessen unterliegen. So kann sich die ARD z.B. einen Informationsanteil von 40 Prozent leisten sowie ein unvergleichliches Netzwerk an Redakteurinnen und Redakteuren, die dem Zuschauer dabei helfen, regionale, deutschlandweite und globale Zusammenhänge zu verstehen und einzuordnen. Fiele der Rundfunkbeitrag weg, stünden ARD und ZDF in direkter Konkurrenz zu RTL und Pro7. Die Sender müssten sich ebenso an Einschaltquoten und Werbeeinnahmen ausrichten und das hätte eindeutige Konsequenzen: Es gäbe wesentlich weniger Nachrichten und Reportagen, dafür mehr Gameshows, Soaps und billig produzierte Reality-Sendungen. Für die Zuschauerinnen und Zuschauer wäre es kaum mehr möglich, sich im Fernsehen fundiert über politische Themen zu informieren.
Übrigens: Aufgrund des Rundfunkbeitrags gehören die öffentlich-rechtlichen Sender keinem Konzern, sondern der Allgemeinheit – uns allen. Und von dieser Allgemeinheit werden sie auch kontrolliert: In unterschiedlichen Gremien sorgen Vertreterinnen und Vertreter aller gesellschaftlich relevanter Gruppen (z.B. Kirchen, Sozialverbände, Arbeitgeber, Gewerkschaften) dafür, dass die Öffentlich-Rechtlichen ihren Auftrag erfüllen. Dieser Auftrag ist im Grundgesetz verankert und garantiert einen hochwertigen Qualitätsjournalismus, der zu einer fairen, ausgewogenen und überparteilichen Berichterstattung verpflichtet ist.
"Der Islam gehört nicht zu Deutschland. In seiner Ausbreitung und in der Präsenz einer ständig wachsenden Zahl von Muslimen sieht die AfD eine große Gefahr für unseren Staat, unsere Gesellschaft und unsere Werteordnung."
GP: S. 49
"Wie viel Religion in einem Betrieb möglich ist, soll zukünftig die Unternehmensleitung entscheiden dürfen. Die freie Religionsausübung ist daher am Arbeitsplatz eingeschränkt;"
Leitantrag zum Parteitag der AfD NRW: These 0506
"Liebe Freunde, ich bin in Sorge! Ich bin in Sorge, dass – vielleicht nicht morgen und vielleicht auch nicht übermorgen –, dass aber vielleicht in einer nicht so fernen Zukunft auf unserem Dom [. . .] der Halbmond zu sehen sein wird."
Björn Höcke, AfD-Fraktionsvorsitzender im Thüringer Landtag, in einer Rede am 18. Mai in Erfurt (abgerufen am 28. Juli 2016)
Björn Höcke ist Vorsitzender der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag und Sprecher der Landespartei. Er vertritt völkische Positionen, die der „Neuen Rechten“ zugeordnet werden können.
Die AfD stellt alleine "die Präsenz" von muslimischen Menschen als "große Gefahr" dar. Sie werden als das feindliche Andere beschrieben, das eine imaginäre christlich-abendländische Kultur in Deutschland bedrohe.
Doch nicht Muslime sind Grund für die Abnahme des christlichen Einflusses in Deutschland. In allen westlichen Gesellschaften verlieren traditionelle Dogmen an Macht. Menschen entscheiden heute selbst, wie sie ihr Leben gestalten. Das führt u.a. zu steigenden Kirchenaustritten. Zudem hat die globale Vernetzung zur Folge, dass Traditionen anderer Staaten wie z.B. Halloween auch in Deutschland beliebt werden.
Dieser Wandel missfällt manchen. Sie fürchten sich vor diesen Veränderungen. Muslime werden zum Sündenbock gemacht, der hierfür Verantwortung trage. Die AfD bestätigt diese Ressentiments und nutzt sie, um weitreichende Einschränkungen der Religionsfreiheit zu fordern.
Wenige Einzelfälle wie Probleme im Betriebsablauf aufgrund der Religion oder Vollverschleierung werden von der AfD zu drängenden gesamtgesellschaftlichen Problemen hochstilisiert, für die es einfache Lösungen gibt. Für tatsächliche Herausforderungen in der Integration – nicht nur muslimischer Menschen – hat die AfD keine Handlungskonzepte.
In Deutschland leben 4 Millionen Menschen muslimischen Glaubens. Das sind gerade einmal 5 Prozent der Bevölkerung. Sie sind keine einheitliche Masse, sondern wie bei Menschen anderen Glaubens ist die Religion nur ein Merkmal unter vielen, das einen Menschen prägt. Ungefähr 90 Prozent der Muslime in Deutschland befürworten die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Kritik an nicht-demokratischen Strömungen innerhalb des Islams ist gerechtfertigt – und wird, anders als von AfD-Vertretern häufig behauptet, auch geäußert. Dabei dürfen aber nicht Millionen von Menschen unter Generalverdacht gestellt und ausgeschlossen werden.
"Aber nur die nationalen Demokratien, geschaffen durch ihre Nationen in schmerzlicher Geschichte, vermögen ihren Bürgern die nötigen und gewünschten Identifikations- und Schutzräume zu bieten."
GP, S. 17
"Jemand, der einen deutschen Pass hat, der mag zwar im Rechtssinne Deutscher sein. Aber er ist natürlich noch nicht Deutscher in dem Sinne, dass er zu den Werten und den kulturellen Traditionen steht, die dieses Volk ausmachen."
Alexander Gauland im Interview mit Cicero, 07/2016, S. 22
"Natürlich ist es etwas anderes, ob Menschen aus einem nichteuropäischen Kulturkreis einwandern [. . .]. Das Problem entsteht in der Mischung von Herkunft aus unterentwickelten Ländern mit einer Religion, die in diesem Land fremd ist [. . .]."
Alexander Gauland, ebd. S. 24
Alexander Gauland ist Fraktionsvorsitzender der AfD in Brandenburg. Er war über 40 Jahre CDU-Mitglied. Mit Bernd Lucke, Konrad Adam u.a. gründete er 2013 die „Wahlalternative 2013“, aus der die AfD hervorgegangen ist. Gauland gilt als nationalkonservativ.
Das Kulturverständnis der AfD ist rassistisch und wird von ihr eingesetzt, um eine Abschottung Deutschlands und Europas zu fordern. Dabei geht die AfD von drei falschen Annahmen aus:
"Wir müssen die Grenzen dichtmachen und dann die grausamen Bilder aushalten. Wir können uns nicht von Kinderaugen erpressen lassen. [. . .] Man kann sich nicht einfach überrollen lassen. Einen Wasserrohrbruch dichten Sie auch ab."
Alexander Gauland, stellvertretender Bundessprecher der AfD, zit. n. Zeit-Magazin, 10/2016, 25. Februar 2016, S. 36
Alexander Gauland ist Fraktionsvorsitzender der AfD in Brandenburg. Er war über 40 Jahre CDU-Mitglied. Mit Bernd Lucke, Konrad Adam u.a. gründete er 2013 die "Wahlalternative 2013", aus der die AfD hervorgegangen ist. Gauland gilt als nationalkonservativ.
Die Forderung nach einer Grenzschließung für Geflüchtete ist allen rechtspopulistischen Gruppen gemein. Dabei nutzen sie häufig furchteinflößende Bilder und sprechen z.B. von einem "Flüchtlings-Tsunami, der alles wegspült." Diese Bilder bemüht auch Alexander Gauland, wenn er sagt, man dürfe sich nicht „überrollen“ lassen. Damit stellt er Menschen, die vor Krieg und Elend flüchten, als Bedrohung dar.
Gleichzeitig setzt er sie zynisch mit Wasser gleich: Menschen auf der Suche nach Hilfe seien wie ein Wasserrohrbruch. Kindern, die auf Unterstützung angewiesen sind, wird unterstellt, "uns" zu "erpressen" – also bewusst eine Handlung zu begehen, um eine Reaktion zu erzielen.
Gauland fordert, die "grausamen Bilder auszuhalten". Obwohl die AfD sich häufig darauf beruft, das "christliche Abendland" zu verteidigen, wirft sie hier sämtliche Kerngebote des Christentums über Bord. Statt Nächstenliebe fordert sie Abschottung.
Der DGB und seine Gewerkschaften lehnen diese Einstellung entschieden ab; so beschlossen sie auf dem DGB-Bundeskongress 2014: "Menschen, die vor Krieg, Bürgerkrieg, politischer oder geschlechtsspezifischer Verfolgung fliehen, müssen in Deutschland und in der EU selbstverständlich Aufnahme finden, individuell Asyl beantragen können und in einem zügigen, fairen Verfahren anerkannt werden."
Was passiert, wenn ein Flüchtling über den Zaun klettert?
Petry: Dann muss die Polizei den Flüchtling daran hindern, dass er deutschen Boden betritt.
Und wenn er es trotzdem tut?
Petry: Sie wollen mich schon wieder in eine bestimmte Richtung treiben.
Noch mal: Wie soll ein Grenzpolizist in diesem Fall reagieren?
Petry: Er muss den illegalen Grenzübertritt verhindern, notfalls auch von der Schusswaffe Gebrauch machen. So steht es im Gesetz.
Frauke Petry, Bundessprecherin der AfD, im Interview mit dem Mannheimer Morgen (abgerufen am 1. Februar 2016).
In diesem Interview wird Frauke Petrys Fremdenfeindlichkeit zu einem offenen Aufruf zu Mord und Totschlag. Sie überschreitet bewusst demokratische Grenzen, um Aufmerksamkeit zu erzielen.
Der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Jörg Radek, weist ihre Äußerung zurück: "Die Aussage der AfD-Vorsitzenden zum Schusswaffengebrauch gegen Flüchtlinge entlarvt radikales und menschenverachtendes Gedankengut." Kein deutscher Polizist würde schießen, betont Radek: "Wer ein solches radikales Vorgehen vorschlägt, will offenbar den Rechtsstaat aushebeln und die Polizei instrumentalisieren. So etwas hatten wir schon einmal in der deutschen Geschichte, und das wollen wir nie wieder."
"Wie der Islam der äußere Feind, so waren die talmudischen Ghetto-Juden der innere Feind des christlichen Abendlandes."
Mit Blick auf das Denkmal für die ermordeten Juden Europas (kurz "Holocaust-Mahnmal") in Berlin:
"Dass ein Volk auf dem größten Platz seiner Hauptstadt ein riesiges Denkmal zur Erinnerung an gewisse Schandtaten seiner Geschichte errichtet, ist dagegen selten, wenn nicht einzigartig."
Wolfgang Gedeon, in seinem Buch "Der grüne Kommunismus und die Diktatur der Minderheiten", zitiert nach FAZ.net abgerufen am 20. Juli 2016
Die Aussagen von Wolfgang Gedeon sind klar antisemitisch: Wer Juden als "inneren Feind" bezeichnet und gleichzeitig die Ermordung von Millionen von Menschen als „gewisse Schandtaten“ abtut, relativiert den Holocaust und die Taten Nazi-Deutschlands. Wie Medienberichte belegen, waren die Thesen Gedeons schon mehrere Jahre bekannt (vgl. FAZ.net).
Trotz dieser Deutlichkeit hat es die AfD-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg nicht geschafft, Wolfgang Gedeon auszuschließen. Es wurde sogar mit zwei Gutachten geprüft, ob es sich bei diesem klaren Fall überhaupt um Antisemitismus handelt. Im Streit über einen Ausschluss Gedeons zerbrach die Fraktion in zwei fast gleich große Teile, da die nötige Mehrheit nicht erreicht werden konnte. Der Fraktionsvorsitzende Jörg Meuthen verließ mit zwölf Abgeordneten die eigene AfD-Fraktion. Er gründete als Fraktion die "Alternative für Baden-Württemberg". Gleichzeitig entwickelte sich ein heftiger Machtkampf innerhalb der bundesweiten AfD über den Umgang mit Antisemitismus in den eigenen Reihen und den Führungsanspruch verschiedener Gruppen. Große Teile der AfD haben sich von Gedeon nachträglich distanziert.
Wer solchen Einstellungen nicht entschieden und von Beginn an begegnet und sich dann in Machtkämpfe verzettelt, lässt Hetze zu und löst nicht die drängenden politischen Probleme. Ein eindeutiger Fall von Antisemitismus wurde für einen Machtkampf unterschiedlicher Gruppen instrumentalisiert. Die AfD zeigt sich als unzuverlässig, mit sich selbst beschäftigt und tendenziell offen für Menschenverachtung.
"Eine einseitige Konzentration auf zwölf Unglücksjahre unserer Geschichte verstellt den Blick auf Jahrhunderte, in denen eine einzigartige Substanz an Kultur und staatlicher Ordnung aufgebaut wurde."
AfD Sachsen-Anhalt, Wahlprogramm Zur Landtagswahl am 13. März 2016, S. 1
Die Forderung nach einem "Schlussstrich" unter die Aufarbeitung der Verbrechen Deutschlands zu Zeiten des Nationalsozialismus verbindet alle rechtspopulistischen Gruppen. Sie fordern, Menschen nationalistisch zu einem positiven Bezug zu Deutschland zu erziehen. Die Thematisierung der Verbrechen im Nationalsozialismus ist deshalb für rechte Gruppen hinderlich dabei, ein einseitiges, positives Bild der deutschen Nation zu zeichnen.
Die Verbrechen im Nationalsozialismus sind in der Menschheitsgeschichte einmalig. Es handelt sich dabei nicht um eine Naturkatastrophe, wie das Wort "Unglücksjahre" vorgibt, sondern um das größte Verbrechen des 20. Jahrhunderts.
Auch Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter wurden verfolgt, gefoltert und in den Konzentrationslagern ermordet, weil sie für ihre Interessen, Werte und Ideale einstanden. Aufgrund dieser Geschichte müssen wir Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter die Erinnerung an die Taten des Nationalsozialismus wachhalten, damit sich diese Ereignisse nie wiederholen können. Der Kampf gegen Rassismus, Nationalismus und Menschenverachtung ist ein Ziel des DGB und seiner Gewerkschaften.
"Schule ist auch eine Sozialisationsinstanz. Neben grundlegenden Kulturtechniken müssen deshalb ebenso die klassisch preußischen Tugenden Geradlinigkeit, Gerechtigkeitssinn, Ehrlichkeit, Disziplin, Pünktlichkeit, Ordnungssinn, Fleiß und Pflichtbewusstsein vermittelt werden. Um solche Tugenden zu vermitteln, bedarf es Autorität, weshalb die Stellung des Lehrers auch und gerade schulrechtlich zu stärken ist."
AfD Sachsen-Anhalt, Wahlprogramm Zur Landtagswahl am 13. März 2016, S. 14
"Nur durch eine adäquate Leistungsorientierung können Menschen ihre Stärken herausbilden und ihre Schwächen überwinden. Deswegen müssen Schüler und Studenten alters- und begabungsgerecht an den Leistungsgedanken herangeführt werden, um ihr Leben eigenständig gestalten zu können."
Leitantrag zum Parteitag der AfD NRW, These 1009
Für die AfD hat eine autoritäre Erziehung höchste Priorität. Nicht demokratische Werte, individuelle Entfaltung und ein harmonisches soziales Miteinander sollen gefördert werden, sondern die klassischen preußischen Tugenden. Man könnte meinen, es ginge um die Ausbildung von Soldaten und nicht darum, Kinder auf das Leben vorzubereiten. Damit zeichnet die AfD ein Bild von einer uniformen, elitären Gesellschaft mit starren Hierarchien. Dazu passt auch die Überbetonung des Leistungsgedankens.
In ihrem NRW-Programm macht die AfD deutlich, was das konkret bedeutet: Sie positioniert sich für ein mehrgliedriges Schulsystem und gegen die Inklusion (s. Leitantrag zum Parteitag der AfD NRW, Thesen 0102, 0105, 0111). Es geht ihr also nicht um ein möglichst durchlässiges Schulsystem, in dem alle Kinder – egal, welcher sozialen Herkunft und egal, ob behindert oder nicht – gleiche Chancen haben. Vielmehr sollen bestehende Unterschiede zementiert werden.
Im Gegensatz dazu definiert das DGB-Grundsatzprogramm als Bildungsziel den kritischen Umgang mit Wissen sowie Werte wie Solidarität und Toleranz. Moderne Gesellschaften brauchen ein Bildungssystem, das Kinder befähigt, ihre eigene Persönlichkeit zu entwickeln und soziale Kompetenzen und demokratische Haltungen zu erwerben. Und für die Gewerkschaften ist klar: Heterogenität, also unterschiedliche Interessen und Fähigkeiten, unterschiedliche Herkunft, unterschiedliches Wissen und Können, ist ein Charakteristikum einer jeden Gesellschaft. Heterogenität darf deshalb nicht aus der Schule herausorganisiert werden. Daher stehen wir für längeres gemeinsames Lernen und eine Schule für alle Kinder.
Zur Betreuung von Kindern in Kindertagesstätten sagt die AfD NRW:
"Die Gemüts- und Herzensbildung und spätere Liebes- und Beziehungsfähigkeit werden gefährdet und eine Häufung von seelischen und körperlichen Erkrankungen ist nachweisbar. Ferner sind Eltern darüber aufzuklären, dass das Kind sich erst mit ca. 3 Jahren von der Mutter löst und gruppenfähig ist."
Leitantrag zum Parteitag der AfD NRW, These 0202
Die AfD fordert in ihrem NRW-Programm die Wahlfreiheit bei der Betreuung von Kleinkindern. Dieses Ziel durchkreuzt sie im gleichen Atemzug allerdings selbst: Bleiben Frauen nicht drei Jahre zu Hause, gefährden sie in den Augen der AfD die Gesundheit und das Wohl ihres Kindes. Damit baut die AfD enormen Druck auf Mütter auf. Von Wahlfreiheit oder gar partnerschaftlicher Aufteilung ist keine Rede. Die Väter spielen keine Rolle, Kindergärten und Tagesmüttern wird eine klare Absage erteilt.
Die Behauptung, dass Kinder erst mit drei Jahren von der Mutter gelöst werden sollten, sehen Fachleute anders. Der renommierte Kinderarzt Remo H. Largo sieht kein Problem darin, wenn Väter, Großeltern, Bekannte oder auch Fachpersonal die familiäre Betreuung ergänzen. Voraussetzung sei lediglich, "dass das Kind regelmäßige, zeitlich ausreichende und beständige Erfahrungen mit seinen Bezugspersonen machen kann". Zudem sei es schon für Kinder im zweiten Lebensjahr wichtig, mit anderen Kindern zusammen zu sein (Remo H. Largo: Babyjahre – Entwicklung und Erziehung in den ersten vier Jahren, München 2015, S. 68 und 116f.).
Viele Studien belegen zudem, dass gerade bei längerer Erziehungszeit für Frauen die Rückkehr in den Beruf mit großen Problemen behaftet ist. Viele sind dann auf prekäre Beschäftigungsverhältnisse, Teilzeit und Mini-Jobs angewiesen. Die Einkommensungleichheit zwischen Männern und Frauen wird dadurch verschärft und das Risiko für Altersarmut deutlich erhöht.
Die Gewerkschaften fordern, dass eine gleichberechtigte Erziehungs- und Erwerbsarbeit von Männern und Frauen mit und ohne Familien möglich sein muss. Arbeitgeber sollen auf die Bedürfnisse von Familien eingehen, u.a. mit flexiblen Arbeitszeitmodellen für Eltern und Pflegende. Die Gründung einer Familie darf nicht dazu führen, dass Frauen aus Guter Arbeit gedrängt werden.
"Die AfD will die Bevorzugung von Mädchen und Frauen stoppen. [. . .] Die AfD fordert daher [. . .] die Entwicklung von Leitlinien gegen Jungen-, Männer- und Väterdiskriminierung. Die AfD ist für die Abschaffung der Stellen für Gleichstellungsbeauftragte, da dadurch Männer und Jungen benachteiligt werden."
Leitantrag zum Parteitag der AfD NRW, These 0205
Zu der sexualisierten Gewalt in Köln:
"Ist Ihnen nach der Welle an Straftaten und sexuellen Übergriffen Deutschland nun 'bunt und weltoffen genug', Frau Merkel?"
Frauke Petry, Bundessprecherin der AfD, via Facebook
Zur Verschärfung des Sexualstrafrechts:
Ehemänner müssen jetzt beim Sex die Ohren spitzen: Ein überhörtes "Nein" kann sie zum Vergewaltiger machen. https://t.co/rGds738a8Y
— Beatrix von Storch (@Beatrix_vStorch) 7. Juli 2016
Gewalt gegen Frauen prangert die AfD nur dann an, wenn es für die Verteidigung ihres rassistischen Weltbildes nützlich ist. So geschehen z.B. nach den Übergriffen in der Kölner Silvesternacht. Da stilisierte sich die AfD zur Anwältin der Opfer, um Stimmung gegen Geflüchtete zu machen. Wie wenig ihr das Thema Frauenrechte eigentlich am Herzen liegt, zeigte sich dann an anderer Stelle sehr deutlich. Als das Strafrecht reformiert wurde, um (vor allem) Frauen besser vor Vergewaltigungen zu schützen, hatte Beatrix von Storch lediglich einen abfälligen Kommentar parat. Mit ihrer Aussage, Männer müssten künftig die Ohren spitzen, um nicht aus Versehen zu Vergewaltigern zu werden, zieht sie das Leid vieler Frauen ins Lächerliche.
Anstatt sich für die Gleichberechtigung von Frauen stark zu machen, wittert die AfD eine Diskriminierung von Männern. Dass Frauen noch immer deutlich schlechter bezahlt werden und häufiger prekär beschäftigt sind, obwohl sie über bessere und höhere Abschlüsse verfügen, blendet die AfD völlig aus. Auch Führungspositionen werden weiterhin überwiegend von Männern besetzt.
Der DGB und seine Gewerkschaften stehen für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern, für gleiches Geld für gleiche Arbeit und Möglichkeiten für partnerschaftliche Erziehung und Pflege. Für Frauen und Männer müssen gleiche Aufstiegschancen gelten. Da das alles noch nicht erreicht ist, ist die Förderung von Frauen weiterhin wichtig und notwendig. Männer und Frauen gegeneinander auszuspielen, bringt keine gesellschaftlichen und politischen Verbesserungen. Sexismus und sexuelle Übergriffe dürfen weder am Arbeitsplatz noch an sonstigen Stellen bagatellisiert werden.
"Die Klimaschutzpolitik beruht auf untauglichen Computer-Modellen des IPCC (‚Weltklimarat‘). Kohlendioxid (CO2) ist kein Schadstoff, sondern ein unverzichtbarer Bestandteil allen Lebens."
Leitantrag zum Parteitag der AfD NRW, These 1009
Die Schädlichkeit von CO2 ist, anders als von der AfD behauptet, nicht "hoch umstritten". Der Klimawandel ist eine eindeutige Tatsache. Zu diesem Schluss kommt auch der Fünfte Sachstandsbericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (englisch: Intergovernmental Panel on Climate Change, kurz: IPCC). Menschliche Aktivitäten, insbesondere der Ausstoß von Kohlendioxid (also CO2 ), sind mit mindestens 90-prozentiger Sicherheit die Hauptursache dafür.
Der DGB und seine Gewerkschaften sehen im Klimawandel eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Seine gefährlichen Auswirkungen müssen begrenzt werden, indem das 2-Grad-Ziel eingehalten wird.
Dafür ist es nötig, dass die weltweite Wirtschaft weniger CO2 ausstößt. Dies kann erreicht werden, indem weniger fossile Energieträger verbraucht werden, aber genauso auf Innovationen und Investitionen in neue Technologien sowie Energieeffzienz gesetzt wird. Nur so gibt es Chancen für einen nachhaltigen Wohlstand und mehr Lebensqualität. Als Gewerkschaften sorgen wir dafür, dass dieser Wandel sozial gerecht für die Beschäftigten abläuft und Gute Arbeit dabei ein Grundprinzip ist.
In 21 Karten stellt der DGB NRW Positionen der AfD gewerkschaftliche Argumente gegenüber. Arbeitnehmerrechte, Steuern und Gleichstellung sind genauso Themen wie "Lügenpresse" und Rassismus.
Arbeitnehmerrechte und Mitbestimmung
Hetze gegen Politiker und Parteien
Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk
In 21 Karten stellt der DGB NRW Positionen der AfD gewerkschaftliche Argumente gegenüber. Arbeitnehmerrechte, Steuern und Gleichstellung sind genauso Themen wie "Lügenpresse" und Rassismus.